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Wirtschaft: Ökonomen lehnen Konjunktur-Programme ab

Experten glauben nicht, dass die von der Regierung diskutierten Hilfen mehr Wachstum und Arbeitsplätze bringen

Berlin - Auf den Plan der Bundesregierung, zur Ankurbelung der Nachfrage ein Konjunktur-Programm aufzulegen, haben führende Wirtschaftsforscher mit Skepsis reagiert. „Einen Abbau der Arbeitslosigkeit würde ein Konjunktur-Programm sicher nicht bringen“, sagte Eckhardt Wohlers, Konjunkturchef beim Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA). „Wenn den Unternehmern klar ist, dass der Staat nur einmalig mehr Geld ausgibt, werden sie kaum auf Dauer neue Leute einstellen“, sagte er .

Auch Roland Döhrn, Konjunkturchef beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, äußerte sich skeptisch. Konjunktur-Programme mit einem derart geringen Volumen brächten keinen messbaren Effekt. Dazu seien zusätzliche Ausgaben von mehren Milliarden Euro nötig – „die hat der Staat aber nicht“. Nicht einmal der Exportüberschuss von zehn Milliarden Euro habe 2004 das Wachstum ausreichend angekurbelt. „Was jetzt geplant ist, hat allenfalls Symbolkraft“, findet auch Joachim Scheide, Chefökonom des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).

Bundeswirtschaftsminister Clement will die Nachfrage unter anderem mit einer Investitionszulage für mittelständische Unternehmen ankurbeln, die in diesem Jahr eine Milliarde und im kommenden Jahr zwei Milliarden Euro betragen soll. Außerdem will Rot-Grün günstige Kredite für die Sanierung von Altbauten ausgeben lassen. Finanzminister Hans Eichel wehrt sich dagegen. Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai werde ein solches Programm ohnehin keine Wirkung zeigen, sagen die Experten. Sie empfehlen stattdessen mittelfristig wirkende Reformen, vor allem in der Steuerpolitik.

Die Binnennachfrage stagniert seit fast vier Jahren. Das Bruttoinlandsprodukt ist deshalb kaum gewachsen, Ende 2004 schrammte die Wirtschaft sogar nur knapp an einer Rezession vorbei. Für Wachstum sorgte allein der Export. Auch 2005 ist keine Besserung in Sicht – erst jüngst haben die fünf Wirtschaftsweisen ihre Jahresprognose auf 1,0 Prozent gesenkt. Die Arbeitslosenzahl ist auf die Rekordmarke von 5,22 Millionen gestiegen. Wenn überhaupt, könnten höhere Staatsausgaben nur langfristig für Wachstum sorgen, sagt HWWA-Experte Wohlers. „Bis sich das niederschlägt, dauert es mindestens ein halbes Jahr.“ Selbst wenn es fertige Projekte gäbe, müssten große Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden, das dauere noch länger.

Staatlich subventionierte Zinsen für Bausanierungen würden zudem nur Mitnahmeeffekte auslösen, fürchtete RWI-Konjunkturchef Roland Döhrn. „Neue Vorhaben dürften deshalb kaum in Angriff genommen werden – dann macht das Ganze aber wenig Sinn.“ Der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Michael Burda äußerte sich ebenfalls kritisch dazu, die Konjunktur mit Liquiditätshilfen für den Mittelstand anzukurbeln. „Das ist der falsche Weg“, sagte er dem Tagesspiegel. Statt bürokratischer Maßnahmen müsse man auf eine „Steuersenkung für den Mittelstand setzen“.

Dass die Verbraucher wieder mehr ausgeben, weil sie auf einen Konjunkturschub dank des staatlichen Ausgabenprogramms hoffen, glauben die Wirtschaftsforscher nicht. „Irgendwer muss das bezahlen, und viele werden ahnen, dass es wieder nur über neue Schulden geht“, vermutet HWWA-Experte Wohlers. Als Alternative zu einem Konjunktur-Programm rät Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft der Regierung zu einer Fortsetzung des Reformkurses. „Wir brauchen ein großes Paket mit wirklich durchdachten Veränderungen, die unsere langfristigen Wachstumschancen verbessern“, empfiehlt er.

C.Brönstrup, F.Wisdorff

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