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Keine Euphorie. An der Frankfurter Börse stiegen am Montag moderat die Kurse. Top-Wert war Adidas.

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Ökonomische Effekte des WM-Sieges: Die WM sorgt für ein kurzes Vergnügen

Der WM-Sieg versetzt die Deutschen in Hochstimmung. doch die Gesamtwirtschaft hat wenig davon. Belege für einen nachhaltigen Wachstumseffekt gibt es nicht.

Cornelia Yzer lag am Montagmorgen noch im WM-Fieber: „Deutschland strahlt als Land der Weltmeister“, jubelte Berlins Wirtschaftssenatorin in einer Mitteilung. Und fuhr fort: „Wer im Ausland Deutschland sagt, meint Berlin.“ Die deutsche Hauptstadt werde vom WM-Sieg und vom „Imageschub“ profitieren. Investoren wollten immer dorthin, wo „Sieger zu Hause sind“. Yzer: „Ich bin davon überzeugt, dass nun noch mehr potenzielle Investoren bei uns anklopfen werden.“ Als „Hotspot für Touristen“ sei Berlin nach Fanmeile und Siegesfeier am Brandenburger Tor ohnehin weltweit eingeführt.

Den Optimismus der Senatorin mochte allerdings so recht kein Ökonom teilen. Denn die wirtschaftliche Strahlkraft eines WM-Titels ist zwar bei einzelnen Unternehmen – siehe Adidas – durchaus messbar. „Für die Gesamtwirtschaft gab es bislang aber keinen empirischen Nachweis ökonomischer Wohlfahrtsgewinne“, sagte Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Tagesspiegel. „Den Euphorieeffekt sollte man nicht überschätzen.“

Von Euphorie war denn auch an der Börse am Montag wenig zu spüren. Der Deutsche Aktienindex (Dax) stieg aber immerhin in einem freundlichen Umfeld um ein Prozent auf 9763 Punkte. Auffälligster Wert war Adidas mit einem Kursplus von 2,7 Prozent.

Fußball-Titel steigern die Lebenszufriedenheit nur kurz

„Fußball und Dax haben nichts miteinander zu tun, es ist eines der schönsten Beispiele für eine Scheinkorrelation“, sagte Holger Bahr, Volkswirt bei der Dekabank. In einer nicht ganz ernst gemeinten Studie weisen Bahr und seine Autorenkollegen darauf hin, dass sich der Dax in den Jahren 2002 und 2008, als Deutschland Vizemeister wurde, in der Folge etwa halbierte. Tatsächlich sorgten aber ganz andere Faktoren 2002 und 2008 für den dramatischen Kurseinbruch: Zunächst platzte die New-Economy-Blase, später erschütterte die Finanzkrise die Weltwirtschaft.

Dass der wirtschaftliche Stimmungsschub nach dem WM-Finale – wenn überhaupt – nur kurz anhält, legt eine DIW- Studie aus dem vergangenen Jahr nahe. 2013 befragten die Berliner Wirtschaftswissenschaftler die Deutschen nach ihrer Lebenszufriedenheit. In Bayern, wo der Fußball-Meister FC Bayern die Champions League gewann, „zeigte sich eine Woche lang eine gestiegene Lebenszufriedenheit“, wie Gert G. Wagner sagt. „Dann war es wieder vorbei.“ Ähnliches dürfte auch nach dem WM-Titelgewinn passieren. „Ein gewisser Stimmungseffekt ist da, die Kauflaune kann leicht steigen“, sagte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. „Aber das ist kurzlebig. Deutschland wird nicht in einen Konsumrausch fallen.“

Weltmeisterfrei für die Strato-Beschäftigten

Auch die Bundesregierung erwartet keine Sonderkonjunktur. „Uns liegen keine Untersuchungen vor, die darauf abzielen, welche Auswirkungen der Sieg der deutschen Mannschaft auf die wirtschaftliche Lage hat“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. „Derzeit bleibt es bei unseren Prognosen.“ Die Frage, ob Deutschland nicht einen – die Konjunktur eher dämpfenden – Nationalfeiertag ausrufen wolle, beantwortete die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz so: „Wir haben in Deutschland das Vergnügen, mit großer Freude zu arbeiten.“

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht nach dem 1:0 für die Deutschen in Rio de Janeiro einen Imagegewinn, der durchaus die gesamte Exportbranche hochziehen könnte. „Deutschland hat mit technisch überzeugendem und fairen Spiel weltweit Sympathien gewonnen“, sagte DIHK-Außenhandelschef Volker Treier. „Das hilft uns beim Export deutscher Produkte auch über den Tag hinaus.“ Auf einen psychologischen Impuls setzt auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. „Der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft trägt eine positive Stimmung in die Gesellschaft, die sicher auch die Wirtschaft beflügelt“, lautet sein Befund.

Die Stimmung seiner rund 500 Beschäftigten dürfte der Berliner Internetdienstleister Strato deutlich verbessert haben. Die Telekom-Tochter gibt ihren Mitarbeitern an diesem Dienstag frei. „Weltmeisterfrei nennen wir das“, sagte eine Sprecherin, „damit alle unsere Mitarbeiter auf die Fanmeile gehen und unsere Nationalmannschaft begrüßen können“. Natürlich werde der Kundendienst und die Technik besetzt sein, fügte sie hinzu. „Dafür suchen wir Freiwillige, die dann an einem anderen Tag frei bekommen.“ Die Idee für die Aktion hatte Strato-Chef Christian Böing, der am Montag im Nationaltrikot – noch mit drei Sternen – zur Arbeit kam. mit hmt, vis, dpa

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