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Wirtschaft: Ölpreis überspringt die 50-Dollar-Rekordmarke

Neue Spekulationen um Lieferengpässe treiben den Preis – die Auswirkungen auf Konjunktur und Aktien bleiben moderat

Berlin - Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Erdöl hat am Dienstag das erste Mal in der Geschichte in New York die Marke von 50 Dollar überschritten. Erst am Abend fiel er wieder etwas zurück. Als Gründe führten Händler die unsichere Lage in den Förderländern Nigeria und Irak an sowie die Folgen der Wirbelstürme im Golf von Mexiko für die dortige Ölproduktion. Allerdings erwarten Experten nicht, dass es tatsächlich zu einem Versorgungsengpass kommen wird. Wahrscheinlich werde sich die Lage kommende Woche wieder entspannen, sagte Helmut Buchmann vom Fachdienst Oil Market Report. Bei der aktuell unsicheren Lage seien wieder Hedge Fonds mit spekulativen Käufen in die Ölmärkte eingestiegen.

„Die Preiserhöhung beim Erdöl hat sich hier noch nicht entsprechend niedergeschlagen“, sagte ein Sprecher des Ölkonzerns Shell dem Tagesspiegel. In den vergangenen Tagen seien die Preise sogar gefallen. Autofahrer in Deutschland müssen daher in dieser Woche zunächst mit steigenden Benzin-Preisen rechnen. Fluggesellschaften halten sich wiederum zurück. Eine Sprecherin von Air-Berlin sagte, die höheren Treibstoffkosten würden wahrscheinlich den Gewinn schmälern. Es sei jedoch nicht geplant, sie an die Kunden weiterzugeben und einen Aufschlag bei den Tickets zu erheben.

Die Börsen reagierten am Dienstag gelassen auf die steigenden Ölpreise, nachdem sie am Vortag noch eingeknickt waren. Der Deutsche Aktienindex (Dax) legte zum Schluss leicht zu. „Wir ändern unseren Ausblick für den weiteren Verlauf an den Aktienmärkten nicht und erwarten weiterhin auf Sicht von sechs Monaten einen Anstieg beim Dax auf 4250 Punkte“, sagte Tammo Greetfeld, Aktienstratege der Hypo-Vereinsbank (HVB), dem Tagesspiegel. Höhere Ölpreise seien „nicht per se negativ“. Man müsse die Frage stellen, warum sie steigen. Und ein großer Teil des Anstiegs der vergangenen Quartale sei auf die robuste Nachfrage nach dem Rohstoff dank der guten globalen Konjunktur zurückzuführen, sagte Greetfeld. Die positiven Effekte aus dem Wirtschaftswachstum würden die negativen des teuren Öls ausgleichen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht in seinem jüngsten Konjunkturausblick davon aus, dass das Weltwirschaftswachstum im kommenden Jahr durch das teure Öl nur geringfügig gedrückt werden wird.

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sieht wiederum keine dramatischen Folgen für die Konjunktur in Deutschland. Die Lohnpolitik reagiere heute nicht wie in den 70er Jahren bei den ersten Ölkrisen. Damals habe die Preisexplosion beim Rohöl eine konjunkturschädliche Lohn-Preis-Spirale in Deutschland ausgelöst. Zudem sei die Energieeffizienz seitdem stark gesteigert worden, so dass Rohöl für die Kalkulation der Wirtschaft eine deutlich geringere Rolle spiele. Hüther rechnet für 2005 mit einem durchschnittlichen Preis von 40 Dollar, das seien etwa zehn Dollar mehr als noch vor einem halben Jahr angenommen. Für das Wirtschaftswachstum bedeutet das laut IW-Chef zwei bis drei Zehntel Einbußen. „Ärgerlich, aber nicht dramatisch“, sagt Hüther.

Außerdem halten Ölexperten Versorgungsengpässe für unwahrscheinlich. „Bis zum Jahresende wird es erhebliche neue Förderkapazitäten geben“, sagte Lawrence Eagles, Ölanalyst der Internationalen Energieagentur (IEA), dem Tagesspiegel. Saudi-Arabien kündigte bereits an, seine Produktion in den nächsten Wochen um 1,5 Millionen Barrel pro Tag (plus 16 Prozent) zu steigern. „Auch aktuell sind die Märkte recht gut versorgt“, sagte Eagles. Barbara Meyer-Bukow vom Mineralölwirtschaftsverband sagte, würde allein die tatsächliche Versorgungslage beachtet, müsste der Ölpreis deutlich unter 50 Dollar liegen.

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