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Distanziert. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer und IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder bei einer Veranstaltung im Ludwig-Erhard-Haus im Dezember 2012.

© Michael Brunner/ Davids

Offene Kritik: IHK schießt gegen Wirtschaftssenatorin Yzer

Der Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer Jan Eder übt zum ersten Mal öffentlich harsche Kritik an Wirtschaftssenatorin Yzer. Es ist eine harte Abrechnung.

Zehn Monate vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus haben die Spitzen der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) in bisher nicht gekannter Offenheit die Arbeit von Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) kritisiert. „Die politisch-organisatorische Federführung wird nicht wirklich wahrgenommen“, sagte Kammer-Hauptgeschäftsführer Jan Eder beim traditionellen Pressegespräch zum Jahresende am späten Donnerstagabend. Es war eine harte Abrechnung. Im Grunde fehlte nur noch die direkte Forderung nach Yzers Rücktritt.

Das Verhältnis zwischen der Kammer und Yzer gilt als angespannt

Das Verhältnis zwischen IHK und Senatorin gilt seit ihrem Amtsantritt vor etwas mehr als drei Jahren als angespannt. Zunächst waren es atmosphärische Störungen, zum Beispiel eine nie erfolgte Einladung zum Antrittsbesuch im Jahr 2012. Später, im März 2014, verursachte Yzer mit der plötzlichen Entlassung von Ulrich Kissing, dem Chef der landeseigenen Förderbank IBB, Kopfschütteln in der Kammer. Nun stellt sich Eder offen gegen die Senatorin – nicht gegen den Senat als ganzes. Er und IHK-Präsident Eric Schweitzer lobten ausdrücklich, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) Aufgaben aus Yzers Fachbereich an sich gezogen hat. Eder ließ am Donnerstagabend ein 30-seitiges Papier verteilen. Titel: „Warum Industrie? Warum jetzt? Plädoyer für eine moderne Industriestadt Berlin“. Darin hat die Kammer unter anderem ihre „Top-10-Forderungen“ herausgestellt. An erster Stelle: „Industriepolitik muss Chefsache bleiben!“ Eder verwies auf eine Seite mit dem Titel „Bestandsaufnahme“ mit den Worten: „Wir nehmen kein Blatt vor den Mund“, vermied es aber weitgehend, den Namen Yzer direkt auszusprechen. Es war von „der Verwaltung“ oder „der Senatorin“ die Rede.

Die Broschüre trägt den Titel "Gute Ansätze bleiben stecken"

„Gute Ansätze bleiben stecken“, lautet die Überschrift der Broschüre. In den „Arm, aber sexy“-Jahren nach der Jahrtausendwende sei in Berlin zunächst ein positiver Wandel eingetreten. Mit verschiedenen Gremien und Initiativen seien deutliche Signale für das „Top-Thema Industrie“ gesetzt worden. „Dieser Elan ist verraucht. Veränderungen der handelnden Personen sowie dringliche Probleme haben die Industrie von den Spitzenplätzen der politischen Agenda verdrängt“, lautet der Zustandsbericht der Kammer. Zwar gäbe es einzelne Projekte, „Koordinierung und Umsetzungsdynamik jedoch fehlen. Industriepolitik droht, in eine Sackgasse zu geraten.“

Das Papier kritisiert unter anderem den "Steuerungskreis Industriepolitik"

Die Kammer nennt in dem Papier acht ihrer Ansicht nach erfolgversprechende politische Konzepte und beleuchtet, was aus ihnen geworden ist. Zum „Steuerungskreis Industriepolitik“ etwa heißt es: „Tagt nur noch einmal jährlich, fehlt ein konkretes Programm, um messbare Ergebnisse hervorzubringen“. Der „Masterplan Industrie“, schreiben die Autoren weiter, sei „nach zähen Verhandlungen weiterentwickelt“ worden, auch fehlten „Messbarkeit, Zeitpläne, Ressourcen, Durchschlagskraft“. Zum Konzept InnoBB – dahinter verbergen sich die Cluster, in denen Industriezweige in Berlin und Brandenburg vernetzt werden sollen, heißt es: „Hat keine Dachstrategie, die Cluster miteinander verzahnt und die industriellen Kerne übergreifend weiterentwickelt“. Und die Smart-City-Strategie, ein Feld, das auch Michael Müller mittlerweile intensiv bearbeitet, sei „noch nicht mit Leben gefüllt“.

Der Auftritt kann als offener Bruch mit der Senatorin bewertet werden

Die Vorstellung des Papiers war nur der Auftakt zu einem Auftritt, den man als offenen Bruch mit der Senatorin werten kann. Denn Eder sprach erstmals vor Vertretern fast aller relevanten Medien der Stadt in einer Weise, die den Schluss nahelegt, dass die Spitze der wichtigsten Institution der lokalen Wirtschaft überhaupt keine Themen mehr mit der Fachsenatorin konstruktiv behandeln kann. „Vor fünf Jahren waren wir strukturell-organisatorisch weiter. Ganz sicher“, sagte IHK-Chef Eder in Erinnerung an den Vorvorgänger der CDU-Politikerin, Harald Wolf von der Linken. „Heute stellen wir industriepolitisch und strukturpolitisch Defizite fest. Da hätten wir uns natürlich mehr gewünscht.“

Yzers Bestandspflege und Außenauftritt bewertet Eder positiv

Ein Wirtschaftssenator habe drei Aufgaben, referierte Eder. Erstens: Die Bestandspflege von Unternehmen. Diese Aufgabe erledige Yzer „sehr gut“ und sei viel unterwegs. Beim Außenauftritt, der zweiten Aufgabe, „war am Anfang mehr. Da wünschen wir uns mehr Absprachen. Der Außenauftritt ist ausbaufähig, aber auch das macht sie schon gut“, fuhr Eder fort. Das Problem sei aber, drittens, die Strukturpolitik: „Da hätten wir uns sehr viel mehr vorstellen können.“ Die Industriepolitik sei stehengeblieben, bedauerte Eder und sagte, es sei „sehr gut“, dass Müller den Steuerungskreis Industriepolitik nun bei sich „zentralisiert“ habe. Die letzte Runde im Oktober sei dann ja auch wieder „sehr gut“ gewesen. Auf die Frage, ob es denn wirklich angebracht sei, dass der Regierende alle möglichen Aufgaben seiner Senatoren an sich reißt und das Arbeitsfeld der Senatorin so zerlegt, sagte Eder: „Wenn etwas so lange liegen bleibt, dann finden wir das gut – aber nicht wünschenswert.“ Er erklärte an anderer Stelle, dass er mit der Kritik nicht den Menschen bewerten wolle, sondern die Politik. Gen Ende des Abends wurde er aber doch ein wenig persönlich: „Gestaltenwollen ist mit Risiko verbunden. Da braucht man Mut.“

Yzer kommentiert die Vorwürfe nicht

Auf Nachfrage gab Eder spontan auch eine Einschätzung zum Zustand der mehrheitlich landeseigenen Fördergesellschaften ab, die unter Yzers Aufsicht stehen: der Investitionsbank IBB und der Standortförderagentur Berlin Partner. Die IBB habe sich sehr gut entwickelt. Das habe bereits unter (dem von Yzer entlassenen) Ulrich Kissing angefangen. Die Arbeit der Berlin Partner stufte Eder als „ausbaufähig“ ein. „Da muss man aber sehen, dass da wir Ruhe reinbekommen nach den vielen Wechseln.“ Eric Schweitzer, der auch Präsident des Dachverbandes der Kammern (DIHK) ist, sprach an diesem Abend vor allem über bundespolitische Themen und globale Wirtschaftsfragen. Bei dem Thema Yzer hielt er sich zurück: „Ordnungspolitik braucht einen starken Rahmen“, sagte er lediglich dazu. Konfrontiert mit den wesentlichen Botschaften des Abends wollte sich Yzer am Freitag nicht im Detail öffentlich äußern. „Die Zahlen am Industriestandort Berlin sprechen für sich“, sagte sie.

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