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Wirtschaft: Ohne Filter sinkt der Wert

Autofahrer und Industrie warten auf klare steuerliche Vorgaben für die Nachrüstung von Gebrauchtwagen mit Rußfiltern

Berlin - Am kommenden Dienstag ist was los im Sauerland. Der Bundeskanzler und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident werden in Menden erwartet. Die SPD-Politiker kommen zum Taschentuchtest bei der HJS Fahrzeugtechnik GmbH. HJS baut Rußfilter. Und damit Gerhard Schröder sieht, was ein Filter kann, hält man ein weißes Taschentuch vor einen Auspuff mit und einen Auspuff ohne Filter. Der HJS-Filter schluckt die Partikel, das Tuch bleibt weiß. Dumm nur, dass die Firma mit ihren 360 Mitarbeitern zwar die Filter bauen kann, es aber nicht tut. HJS wartet auf die Politik: Die Betriebserlaubnis für die Feinstaubschlucker will die Firma erst beantragen, wenn Klarheit über die steuerliche Förderung und die zugrunde liegenden Grenzwerte besteht. „Wir machen dann die Filter so, dass die Grenzwerte erreicht werden“, sagt eine Firmensprecherin.

Und so ist es überall. Ganz Autodeutschland diskutiert über Feinstäube, Fahrverbote und Filter – und wartet auf Hans Eichel und die Details der geplanten Steuerförderung. „Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, klagt Arnulf Volkmar Thiemel vom ADAC. Im Prinzip, sagt Thiemel, könne man alle der knapp neun Millionen in Deutschland zugelassenen Diesel-Pkw mit einem Filter nachrüsten. „Aber solange die Politik keine Vorgaben macht, passiert nichts.“

Jedenfalls nichts Gutes. Die Nachfrage nach gebrauchten Dieselautos schwächelt bereits, da sich potenzielle Käufer fragen, ob das Fahrzeug auch nachrüstbar ist. Beim Zentralverband des Kfz-Gewerbes geht man davon aus, dass die Autohändler den Wert ihres Bestandes nach unten korrigieren müssen. „In einiger Zeit müssen wir auch über Wertberichtigungen nachdenken“, sagt Verbandssprecher Helmut Blümer.

Der Gebrauchtwagenexperte Schwacke macht folgende Rechnung auf für einen VW Golf TDI, Erstzulassung 2003: Ohne Rußfilter verliert das Auto in drei Jahren 765 Euro mehr an Wert als mit Filter. Der Gelsenkirchener Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer schätzt modellübergreifend den Wertverlust zwischen 500 und 1000 Euro je Fahrzeug.

Wie viele der neun Millionen Diesel tatsächlich nachrüstbar sind, ist umstritten. Der Kfz-Verband geht von knapp zwei Millionen aus, der rheinländische Filterhersteller Twintec von 6,6 Millionen. Es gilt die Formel: je älter das Auto, desto weniger wahrscheinlich die Nachrüstung mit einem Filter, der inklusive Einbau um die 650 Euro kostet. Die Autos, für die sich kein Filter rechnet, werden über kurz oder lang in den Export gehen, also zumeist auf osteuropäischen Straßen auftauchen. Daran wird auch der geplante einmalige Steuernachlass von 250 Euro für die Nachrüstung nicht viel ändern.

Dass der Filter die Autofahrer beschäftigt, belegt eine Studie von Roland Berger für Twintec. „Hatten sich 2003 lediglich 33 Prozent der Diesel-Pkw-Fahrer über die Möglichkeit einer Nachrüstung eines Rußpartikelfilters informiert, so haben dies heute bereits zwei Drittel der Diesel-Pkw-Fahrer getan.“ Allerdings sind Berger zufolge nur „maximal 16 Prozent“ der Diesel-Fahrer zur Nachrüstung auf eigene Kosten bereit. Wenn allerdings der Steuerzahler mit 250 Euro dabei ist, wären knapp 40 Prozent an einem Filter interessiert. In Großstädten, wo die Feinstaubbelastung am größten ist, würden sogar 53 Prozent der Diesel-Fahrer nachrüsten – wenn dadurch ein Fahrverbot umgangen werden kann.

Der Wille des Autofahrers zur Nachrüstung ist eine Seite, das entsprechende Angebot an Filtern die andere. Außer Twintec ist derzeit kein Anbieter von Rußfiltern für Gebrauchte am Markt. Bosch, der weltgrößte Zulieferer der Autoindustrie, beginnt erst im kommenden Jahr die Filterproduktion – allerdings nur für Neuwagen. 2008 wollen die Stuttgarter bereits zwei Millionen Filter produzieren. „Man hat das Thema unterschätzt“, sagt der Nürtinger Autoprofessor Willi Diez. Mit „man“ meint er die Hersteller, denn die Lieferanten bauen das, was die Autokonzerne wollen. „Die Feinstaubdebatte war nicht abzusehen“, sagt Diez, „aber jetzt läuft die Maschine.“ Doch auch für ihn ist die Politik am Zug, denn „ohne finanzielle Förderung wird nicht viel passieren“. Sollte sich aber Eichel mit den Länderfinanzministern einigen, „könnten wir in diesem Jahr noch eine richtig gute Autokonjunktur kriegen“, glaubt Diez.

Der VW-Konzern hat bereits Verträge mit der sauerländischen HJS und dem Filterspezialisten Emitec aus dem Rheinland abgeschlossen, um im Herbst den VW-Diesel-Fahrern ein Nachrüstungsangebot machen zu können. Immerhin sind rund zwei Millionen Diesel-Pkw von VW auf deutschen Straßen unterwegs. Mercedes wartet hingegen ab. Wenn es Klarheit gibt über Förderung und Grenzwerte, wollen die Stuttgarter „im Herbst“ mit Angeboten zur Nachrüstung auf den Markt kommen. Umrüstbar sind dabei in der Regel die Autos, die nicht viel älter als zehn Jahre sind. Im Ergebnis wird dann ein Fahrzeug, das die Abgasnorm Euro II erfüllt, mit Hilfe des Filters die strengeren Normen der Euro III erfüllen. Und die Euro-III-Pkw rutschen unter das Euro-IV-Zertifikat. Sofern die Politik klare Vorgaben macht. Vielleicht schon am Dienstag im Sauerland, wenn der Autokanzler kommt.

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