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Direkter Draht. Von den geschätzt 25 000 Taxifahrern in Deutschland nutzen rund 5000 bereits die App. In Berlin haben sie 800 Fahrer installiert.

© Kai-Uwe Heinrich

Ohne Umwege: Smartphone-App schnappt Taxi-Rufzentralen die Kunden weg

Wenn etwas einfacher wird, entfallen Zwischenschritte. Eigentlich ein Grund zur Freude. Nur ärgert es möglicherweise denjenigen, der plötzlich nicht mehr gebraucht wird. So ist das bei der Smartphone-App MyTaxi.

Mit MyTaxi können Nutzer ein Taxi direkt beim Fahrer bestellen. Der Umweg über die Funkzentrale, die sonst Aufträge entgegennimmt und an Fahrer verteilt, erübrigt sich. Die Anwendung könnte so zur ernsten Konkurrenz für die Zentralen werden. „Davon profitiert, wer in einer fremden Stadt die örtliche Taxinummer nicht kennt“, sagt Sven Külper. Der Mitgründer und Geschäftsführer des Softwareherstellers Intelligent Apps aus Hamburg brachte den Dienst 2010 auf den Markt. Das Prinzip ist simpel: Mit wenigen Klicks auf dem Smartphone ist das Taxi bestellt. Angeben lassen sich Personenanzahl, Ziel und Sonderwünsche wie Kindersitz oder EC-Zahlung. Nimmt ein Fahrer das Gesuch an, zeigt das Display mittels GPS-Technik auf einer Karte an, wie sich das Taxi auf den eigenen Standort zubewegt. Die Warterei in der Telefonwarteschleife einer Taxizentrale entfällt komplett.

Mittlerweile gibt es das Angebot 13 Mal in Deutschland – etwa in Berlin, Frankfurt am Main oder München. Bis Ende des Jahres sollen neun Städte hinzukommen. MyTaxi wurde 450 000 Mal heruntergeladen. „Es gibt Millionen Smartphone-Nutzer. Das Wachstumspotenzial ist enorm“, sagt Külper. Daran glaubt auch T-Venture. Die finanzstarke Telekom-Tochter beteiligt sich an dem Projekt mit einem mittleren, einstelligen Millionenbetrag.

Von geschätzt 250 000 Taxifahrern in Deutschland haben bereits 5000 die Software auf ihrem Handy installiert – davon 800 in Berlin. Einer von ihnen ist Wolfgang Nitschmann. Seit 20 Jahren fährt er Taxi, seit Mai nutzt er die App. „MyTaxi bringt genügend Aufträge“, sagt er. Neben Krankenfahrten und Straßenkundschaft kommt er im Monat auf mindestens 20 Fahrten mehr – das ist ein Plus von mehreren Hundert Euro. Schätzungen zufolge verdient ein Berliner Taxifahrer im Durchschnitt mindestens 2000 Euro. Wichtig sei Service, denn jeder Chauffeur kann von seinem Fahrgast bewertet werden. „Man muss den Kunden überzeugen“, sagt Nitschmann.

Lesen Sie auf Seite 2, wie die Rufzentralen reagieren.

Das obligatorische Funkgerät hat er aus seinem Auto ausgebaut. Zum Verdruss der Rufzentralen: Denn was den Fahrern mehr Aufträge liefert, vermiest den Zentralen das Geschäft. Pro Bestellung zahlen Fahrer 79 Cent an MyTaxi – Geld, das sonst an die Zentralen geht. In der Regel bezahlen Taxiunternehmen eine Pauschale für die Vermittlung. In Berlin sind das 100 Euro im Monat.

Das Risiko, MyTaxi könnte den Zentralen auf dem umkämpften Markt Einnahmen abjagen, hält der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband (BZP) für gering. „Die Unternehmen überlegen genau, ob sie jetzt auch noch für jede MyTaxi-Vermittlung zahlen sollen“, sagt Geschäftsführer Thomas Grätz. Allenfalls verdienten sich Einzelpersonen ein Zubrot. Ganz ohne Sorge ist die Branche indes nicht: Der BZP, der bundesweit gut die Hälfte der 25 000 Taxiunternehmen repräsentiert, hat für seine Mitglieder extra einen App-Passus für einen Musterarbeitsvertrag formuliert. Darin wird die unautorisierte App-Nutzung durch die Fahrer untersagt: Entlassungsgerüchte machen die Runde.

Indes rüsten die Taxizentralen massiv nach. Mittlerweile gibt es ähnliche Apps für einzelne Städte – etwa „Taxi Berlin“ vom Hersteller für Vermittlungssoftware Austrosoft. Diese sowie andere regionalisierte Ableger bieten ähnliche Funktionen. Die Vermittlung nimmt aber aus „Servicegründen“ dennoch den Umweg über die Zentralen, erklärt Hermann Waldner, Chef von Taxi Berlin. „Damit wollen wir guten Service gewährleisten.“ Sorgen wegen der Konkurrenz macht er sich nicht; an die größte Zentrale der Stadt sind 4500 Wagen angeschlossen. Das sind fast sechsmal mehr, als derzeit mit der MyTaxi-App fahren. Allerdings mache die Bestellung über seine Anwendung bislang nur rund zwei Prozent aus. Dafür könne man mit der Austrosoft-App europaweit Taxen rufen, wenn die dortigen Zentralen dieselbe Software verwenden. Mittlerweile gebe es dafür den einheitlichen Namen „Taxi.eu“. Insgesamt stünden nun 40 000 Wagen in 50 europäischen Städten bereit.

Im europäischen Kampf um App-Nutzer ist auch MyTaxi mit dabei. Seit August ist Wien im Angebot, 2012 sollen Metropolen wie Amsterdam, London und Madrid folgen. Zudem feilen die Macher bereits an Zusatzangeboten: Bald soll ein mobiles Bezahlsystem an den Start gehen, mit dem Kosten direkt vom Konto des Kunden abgebucht werden.

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