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Oktoberfest: Keine Krisen-Wies’n

Das Münchner Oktoberfest kennt keine Rezession. Wirtschaftliche Einbußen gibt es aber indirekt. Dieses Jahr sind weniger Besucher aus dem Ausland in München.

München - Dem Münchner Oktoberfest kann selbst eine Weltwirtschaftskrise nicht viel anhaben. „Ich kann keine Krisen-Wiesn feststellen“, sagt Edmund Radlinger in kehlig-bayerischem Tonfall. Der Chef des Münchner Schaustellervereins betreibt auf dem weltgrößten Volksfest, das noch bis 4. Oktober rund sechs Millionen Besucher anlocken soll, mit dem Familien-Platzl eine Ansammlung von Kleinvergnügen wie Karussell, Mäusezirkus oder Spickerbude. „Ganz normal, wie im Vorjahr, drei Prozent hin oder her“, sei der Auftakt für ihn als Schausteller am ersten Wochenende gewesen. Auch Kollege Heiner Distel, der einen Autoscooter betreibt, klingt entspannt. „Beim Privatmann und bei Familien ist die Krise bislang nicht angekommen“, freut er sich.

Das Oktoberfest – für Distel und andere Schausteller traditionell auch der finanzielle Höhepunkt des Jahres – liege damit im Trend. Bislang habe er 2009 mit seinem Autoscooter auf den Volksfesten sogar etwas mehr verdient. Das ist erstaunlich genug, denn die vergangenen Jahre blies die Branche der Schausteller kollektiv Trübsal. Der Branchenumsatz hatte sich binnen eines Jahrzehnts hierzulande bis zum Vorjahr auf rund zwei Milliarden Euro halbiert. Ausgerechnet das wirtschaftlich sonst als Krisenjahr geltende 2009 sorgt nun für unverhoffte Stabilität.

„Wir sind wirklich überrascht“, sagt auch Helmut Gels, Chef des Deutschen Schaustellerbunds, über den Aufwärtstrend auf vielen der knapp 12 300 deutschen Volksfeste mit ihren zuletzt 178 Millionen Besuchern. Bei kleinen Vergnügen wie einem Besuch auf dem Rummel sei der Verbraucher derzeit spendabel. Erfolgreich seien vor allem Veranstaltungen, die nicht mehr allein auf die Jugend setzen und ihre Fahrgeschäfte auf immer schneller, höher und lauter trimmen, sondern die künftige Hauptzielgruppe der Älteren in den Fokus nehmen und es ruhiger angehen lassen.

Auf dem Oktoberfest geht es indessen alles andere als ruhig zu. Die Bierburgen der Wiesn mit ihren 135 000 Sitzplätzen sind ohnehin krisenresistent. „Mehr als voll geht nicht“, sagt eine resolute Bedienung. „Ich mein die Zelte, nicht die Leut’“, ergänzt sie noch im Vorbeigehen. Gabriele Weishäupl bestätigt diesen Eindruck von der erhöhten Warte der Wiesn-Chefin. Fast eine halbe Million Maß und damit fünf Prozent mehr seien allein am ersten Oktoberfestwochenende getrunken worden. Fast eine Million Besucher seien an den zwei Tagen auf das Gelände geströmt, gut ein Zehntel mehr als im Vorjahr.

Auch ein um gut fünf Prozent auf bis zu 8,60 Euro je Maß erhöhter Bierpreis oder der Umstand, dass ein halbes Grillhendl dieses Jahr die Grenze von neun Euro überflogen hat, schreckt die Kundschaft nicht ab. Reservierte Tische in den Bierzelten „werden für ein paar tausend Euro bei Ebay versteigert“, weiß Weishäupl.

Was den gesamten Wirtschaftswert der Wiesn von zuletzt 830 Millionen Euro anbetrifft, rechnet Weishäupl aber doch mit leichten Rückgängen. Das liege daran, dass weniger Besucher aus dem Ausland kämen, wo die Wirtschaftskrise die Verbraucher teils wesentlich stärker treffe als im Inland.

Obwohl Gäste aus den USA, Italien und anderen Ländern nur ein Fünftel aller Wiesn-Besucher stellen, sind sie für den wirtschaftlichen Erfolg ausschlaggebend. Denn wenn Gerstensaft in München 16 Tage lang in Strömen fließt, klingelt die Kasse nicht nur auf der Theresienwiese, dem Ort des bierseligen Geschehens. Gut 320 Millionen Euro werden zwar direkt dort umgesetzt. Gut eine halbe Milliarde Euro aber geht auf das Konto ausländischer Besucher für Übernachtungen, Essen oder Einkäufe.

Hier schlagen Rückgänge also überproportional zu Buche. Und die gibt es. Reisebüros haben vorab weniger Buchungen für das Oktoberfest gemeldet, und es gibt auch noch mehr freie Hotelzimmer als im Vorjahr, räumt Weishäupl ein. Mit Einheimischen seien die Geschäfte dagegen leicht gestiegen. Unter dem Strich rechnet die Wiesn-Chefin nicht mit echten Einbrüchen.

Auch die Vermutung, dass die von der Wirtschaftskrise getroffenen Firmen am Oktoberfest bei der Reservierung von Boxen in den Zelten auf die Bremse treten könnten, läuft ins Leere. „Wir sind abends ausgebucht“, heißt es in der Hackerbräu-Festhalle und anderswo. Die Wiesn-Wirte können trotz Rezession auf schäumende Geschäfte bauen. Wie viel sie pro Zelt verdienen, bleibt geheim. „Eine Watsch’n (Ohrfeige) rechts und eine links, mehr gibt es dazu nicht zu sagen“, sagt der Chef der Ochsenbraterei, Hermann Haberl, auf die entsprechende Frage launig.

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