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„Ich bin kein Verbraucherschützer“: Günter Hirsch, der Versicherungsombudsmann, sieht sich als unabhängige Instanz – und fordert Reformen bei der Schlichtung.

© dpa

Ombudsmann legt Zahlen vor: Neuer Rekord bei Beschwerden gegen Versicherer

21.000 neue Fälle gab es im vergangenen Jahr. Vor allem Streitereien mit Rechtsschutzversicherern nehmen zu, sagt Ombudsmann Günter Hirsch.

Berlin - Der Minister ist voll des Lobes. Der Versicherungsombudsmann, meint Bundesjustizminister Heiko Maas, habe „Maßstäbe für die Arbeit der Schlichtungsstellen“ in Deutschland gesetzt. Viele solcher Stellen gibt es schon – für Versicherungen, Banken, Reisen, Energie oder Telekommunikation. Ginge es nach Maas, sollen noch einige hinzukommen. Seit dem 1. April hat jeder Verbraucher einen Anspruch darauf, Streit von einer Schiedsstelle beurteilen zu lassen, um nicht sofort vor Gericht zu müssen.

„Die Schlichtung hat Konjunktur“, sagt auch Horst Hiort, Geschäftsführer des Versicherungsombudsmanns. Das zeigen auch die Zahlen, die die Schiedsstelle am Dienstag in Berlin vorgelegt hat. Fast 21 000 Beschwerden hat der Versicherungsombudsmann im vergangenen Jahr von Verbrauchern bekommen, das waren 4,7 Prozent mehr als im Vorjahr und so viele wie noch nie in der 14-jährigen Geschichte der Stelle. Nicht jede Eingabe konnte der Schlichter bearbeiten – in einigen Fällen war er nicht zuständig oder die Kunden hatten es versäumt, zunächst einmal – wie vorgeschrieben – bei der Versicherungsgesellschaft selbst um Abhilfe nachzusuchen. Unterm Strich blieben daher knapp 14 000 Beschwerden übrig, aber auch diese Zahl steigt seit Jahren an.

Für Kunden ist das Verfahren beim Versicherungsombudsmann (www.versicherungsombudsmann.de) kostenlos, bis zu einer Streitsumme von 10 000 Euro kann der Ombudsmann in Person des früheren Bundesgerichtshofs-Präsidenten Günter Hirsch verbindliche Entscheidungen fällen – verbindlich für die Versicherer, Verbraucher können jederzeit klagen. Die Erfolgsquote der Kunden beim Ombudsmann liegt bei 44 Prozent, außer bei Lebensversicherungen. Hier sind es gerade einmal 24 Prozent. „Die Menschen sind oft enttäuscht über die geringen Renditen“, berichtet Hirsch. Aber meist habe die Versicherung richtig gerechnet. „Das ist dann kein Rechts-, sondern ein Verständnisproblem“.

Beschwerden über Lebensversicherer machen zwar immer noch den Löwenanteil aus, haben aber abgenommen. Deutlich zugelegt (plus 32 Prozent) haben dagegen Streitereien mit Rechtsschutzversicherern. Hiort führt das auf Unsicherheiten in Zusammenhang mit neuen BGH-Urteilen zu Schönheitsreparaturen, den Streit um den „Widerrufsjoker“ bei Baukrediten und den Ausschluss von Bau- und Kapitalanlagestreitigkeiten zurück. Kräftig gestiegen sind auch Beschwerden rund um die Kfz-Kaskoversicherung, was Hiort mit der steigenden Zahl von Schadensfällen erklärt.

Große Sorge machen dem Versicherungsombudsmann neue Versicherungskonstellationen, in denen die Kunden nicht mehr direkt versichert sind, sondern ein Versicherungsvermittler als Vertragspartner des Versicherers zwischengeschaltet ist. Solche Dreiecksverhältnisse gibt es häufiger bei Internet-Maklern, die etwa Handy- oder Laptop-Versicherungen anbieten. Das Problem: „Der Kunde zahlt zwar die Prämie“, sagt Hirsch, „die Geltendmachung der Rechte ist aber begrenzt“. Das sei ein neues Phänomen, zu dem man inzwischen „etliche Beschwerden“ bekommen habe.

Während solche Versicherungsfragen durchaus ein Thema für Hirsch und seine 45 Mitarbeiter sind, sind sie für viele andere Fragen nicht zuständig. Für Beschwerden gegen private Krankenversicherer gibt es eine eigene Schlichtungsstelle. Und auch die vielen tausend Eingaben wegen der Kreditgebühr, die Banken erhoben haben, hat Hirsch mangels Zuständigkeit zurückweisen müssen.

Der Ombudsmann will Verbrauchern daher helfen, künftig schneller die richtige Schlichtungsstelle zu finden, um Zeit zu sparen und zu verhindern, dass Ansprüche verjähren, weil man sie an die falsche Adresse schickt. Er schlägt vor, dass künftig alle Beschwerden an eine zentrale Schlichtungsstelle geschickt werden sollen, die die Fälle dann an die richtigen Stellen weiterleitet. Mit der Eingabe an die Zentralstelle soll die Verjährung gehemmt werden. Infrage kommt nach Meinung von Hirsch die neue Universalschlichtungsstelle in Kehl, die seit dem 1. April für alle Streitigkeiten zuständig ist, für die es keine Spezialschlichter gibt. 163 Beschwerden hat die neue Stelle im April erhalten, berichtet der Vereinsvorsitzende Felix Braun, darunter auch einige Irrläufer. Der Hirsch-Vorschlag sei „sehr interessengerecht“, findet Braun. Im Justizministerium will man von einer Hemmung der Verjährung derzeit aber noch nichts wissen, sondern setzt auf einen Weiterleitungsmechanismus, den man einrichten will: „Die Allgemeine Schlichtungsstelle soll Fälle, für die sie nicht zuständig ist, weiterleiten“, heißt es auf Anfrage. Heike Jahberg

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