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Kult. Modelle wie der Manta machten Opel in den 70er Jahren zur Erfolgsmarke. Der Hersteller lag vor Volkswagen.

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Opel: Der Blitz schlägt nicht mehr ein

Opel wird 150 Jahre alt, doch von Feierlaune keine Spur. Das Unternehmen, das zwei Weltkriege überstanden hat und Kultautos wie Kapitän, Manta oder Kadett gebaut hat, kämpft ums Überleben

Vor 25 Jahren war alles anders: Am Rüsselsheimer Stammsitz des Autobauers Opel wurde drei Tage lang gefeiert. Schon zum 125. Geburtstag ging es Opel zwar nicht besonders gut. Dennoch hielt Bundeskanzler Helmut Kohl eine umjubelte Rede.

Heute, zum 150. Jubiläum der Firmengründung, ist von Feierlaune wenig zu spüren. Das eigentlich für März geplante große Fest war schon vorher geplatzt. Lange druckste man in der Unternehmenszentrale herum, ob und wie überhaupt gefeiert werden sollte. Jetzt begeht jedes Werk für sich den 150-jährigen Geburtstag der General-Motors-Tochter Opel – mit bescheidenen Festen für Mitarbeiter, Familien und Freunde. Den eigentlichen Jubiläumstermin hat man ohnehin schon verpasst. Die Geschichte des Unternehmens begann nämlich im Januar 1862 – mit dem Bau von Nähmaschinen.

Die Umstände, unter denen sich die Opelaner – damals wie heute – ihrer Geschichte bewusst werden, weisen erstaunliche Parallelen auf. „General Motors ordnet sein Europa-Geschäft neu. Die Rüsselsheimer Tochter Opel verliert an Bedeutung“, titelte Anfang 1986 der „Spiegel“ zum Wechsel an der Opel-Spitze von Ferdinand Beickler zu Horst Herke. Opel hatte dreistellige Millionen-Verluste eingefahren, der Marktanteil sank.

Bildergalerie: Opel - eine Firmengeschichte

Die letzte Regierungschefin, die sich in Rüsselsheim blicken ließ, war Bundeskanzlerin Angela Merkel im März 2009. Nicht zum Feiern war sie ins Werk gekommen, sondern um ihre Unterstützung für das angeschlagene Unternehmen zu bekunden. Von derart prominentem öffentlichen Beistand ist wenig zu sehen seit dem wenige Monate nach dem Merkel- Besuch gescheiterten Verkauf von Opel an den kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna. Weder bei den Feiern am 8. September in Kaiserslautern, noch am 22. September in Rüsselsheim oder am 6. Oktober in Eisenach werden hochrangige Politiker anwesend sein. Einen Termin für ein Fest im gefährdeten Werk in Bochum gibt es noch gar nicht.

Opel hat andere Probleme. Der Marktanteil in Deutschland ist im Juli auf nur noch 6,8 Prozent abgerutscht, der Verkauf in den ersten sieben Monaten um fast elf Prozent auf 135 400 Autos eingebrochen. In Europa kommt Opel mit der Schwestermarke Vauxhall nur noch auf einen Anteil von 7,5 Prozent, der Absatz schrumpfte im ersten Halbjahr um 15 Prozent auf 468 000 Fahrzeuge.

Aktuell steht das Unternehmen ohne Chef da. Nach dem Rauswurf von Karl- Friedrich Stracke leitet Thomas Sedran Opel kommissarisch. Der neunte Chef seit 1989 ist noch nicht gefunden. GM, Opel und Betriebsrat ringen um ein neues Sanierungsprogramm, nachdem schon 8000 der 48 000 Jobs in Europa abgebaut und das Werk in Antwerpen geschlossen wurden. Die Zukunft der Fabrik in Bochum ist ungewiss – auch wenn über die Kooperation mit Peugeot die Produktion von Modellen aus Frankreich die Auslastung der deutschen Werke sichern soll.

Gleichzeitig darf Opel nicht überall seine Autos verkaufen: Exporte in die wichtigsten Märkte Nordamerika und China bleiben tabu, weil GM sich sonst selbst Konkurrenz machen würde. Auch wenn das Unternehmen laufend neue Modelle auf den Markt bringt und Milliarden in die Entwicklung steckt, bleiben Experten skeptisch. Längst gehe es für Opel ums Überleben. Dabei hat die Traditionsfirma zwei Weltkriege überstanden ebenso wie die Wirtschaftskrise Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts.

Opels technologische Kompetenz war immer unbestritten.

Arbeiter am Fließband bei der Endmontage des Kadett im Opelwerk in Rüsselsheim 1936. Nach mehr als zehn Millionen Fahrzeugen wurde die Produktion des Kadett am 20. Juli1991 eingestellt.
Arbeiter am Fließband bei der Endmontage des Kadett im Opelwerk in Rüsselsheim 1936. Nach mehr als zehn Millionen Fahrzeugen wurde die Produktion des Kadett am 20. Juli1991 eingestellt.

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Die technologische Kompetenz von Opel war schon immer unbestritten – ob es wie bei der Unternehmensgründung 1862 durch Adam Opel um Nähmaschinen, später um Fahrräder und ab 1899 um den Bau von Autos und Motorrädern ging. 1885 beschäftigt Opel bereits 300 Mitarbeiter. Um die Jahrhundertwende verlassen pro Jahr 25 000 Nähmaschinen und 15 000 Fahrräder die Fabrikhalle. Die Söhne Opels fassen auch den Automobilbau ins Auge. Die Übernahme der Lutzmann-Manufaktur in Dresden 1899 allerdings ist kein Erfolg. Der stellt sich erst ein, als Opel 1902 das erste eigene Modell – den Motorwagen – baut. 1906 werden bereits 1000 Autos gefertigt, bis 1914 steigt Opel mit 3000 Beschäftigten und einer Jahresproduktion von 3000 Autos zum größten Automobilhersteller in Deutschland auf. Schon damals verschreibt sich das Unternehmen dem Bau technisch hochwertiger, zuverlässiger und zugleich bezahlbarer Autos.

Folge des starken Wachstums ist die Aufnahme der Fließband-Produktion 1924 für den Kleinwagen 4/12 PS, der wegen der grünen Farbe auch Laubfrosch genannt wird. 1928 hat Opel einen Marktanteil von 44 Prozent, ein Jahr später aber trifft die Wirtschaftskrise auch die Autofirma. Erstmals werden rote Zahlen geschrieben. Die Familie holt sich General Motors als Partner ins Boot, 1931 geht Opel komplett an die Amerikaner – für insgesamt knapp 33,4 Millionen Dollar, eine für die damalige Zeit gigantische Summe.

Opel übersteht die Krise und wächst weiter. 1935 wird das erste Werk fern vom Stammsitz in Brandenburg an der Havel gebaut. Erstmals verlassen mehr als 100 000 Autos die Fabriken. 1936 beginnt die Ära des Kadett. Opel ist mit einer Jahresproduktion von 130 000 Fahrzeugen der größte Hersteller in Europa. Fast 50 Prozent der gesamten deutschen Exporteinnahmen entfallen auf Opel. Bis nach Argentinien, Südafrika, China und Neuseeland wird verkauft.

Durch den Krieg verliert Opel das Werk in Brandenburg. In Rüsselsheim wird die Produktion schnell wieder hochgefahren auf 30 000 Autos im Jahr. Modelle wie Olympia, Rekord oder Kapitän festigen das Ansehen des Unternehmens, das 1962 im Jahr des 100-jährigen Bestehens in Bochum das zweite Werk eröffnet. 1966 kommt das Komponentenwerk in Kaiserslautern dazu, 1990 die Fabrik in Eisenach. Bis Anfang der siebziger Jahre steigt die Zahl der jährlich verkauften Modelle mit dem Blitz auf mehr als 400 000. Opel liegt mit einem Marktanteil von mehr als 20 Prozent vor VW und beschäftigt fast 60 000 Mitarbeiter.

Doch dann geht es bergab, auch wenn 1996 mit mehr als 550 000 Fahrzeugen noch ein neuer Verkaufsrekord aufgestellt wird. Aber Managementfehler, das Ausmustern gut laufender Modelle – während VW die Erfolgsprodukte Golf und Passat auf den Markt bringt –, Qualitätsmängel und der Abschied aus der Oberklasse ziehen das Unternehmen und das Image der Marke mehr und mehr nach unten. Zudem verkennen die GM-Manager den Wert ihrer Tochter in Deutschland und machen ihr heute mit der Marke Chevrolet in Europa auch noch konzerneigene Konkurrenz.

Mit der Ausrichtung auf den weitgehend gesättigten Markt in Europa ist der Spielraum für das Traditionsunternehmen und seine heute 40 500 Mitarbeiter in elf Werken begrenzt. 2012 droht erneut ein Milliarden-Verlust, auch weil die Autos nur mit großen Nachlässen abgegeben werden. Noch arbeiten für Opel hierzulande gut 21 000 Menschen. Manches hat sich nicht geändert in all den Jahren: „Die Fähigkeit, richtig mit Geld umzugehen, ist bei Opel derzeit so gefragt wie keine andere“, heißt es 1986 im „Spiegel“.

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