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Wirtschaft: Opel wartet auf den Blitzschlag

„Das eine oder andere Werk“ soll geschlossen werden / Experte sieht schlechteste Bilanz in Bochum

Frankfurt/Main – Gerade schien sich die Stimmung bei Opel aufzuhellen. In der Zulassungsstatistik in Deutschland rückte der Traditionshersteller wieder auf den zweiten Platz vor. Im vergangenen Jahr wurden 348 000 Autos verkauft, der Marktanteil kletterte leicht auf 10,48 Prozent. „2005 war für Opel ein Jahr des Markterfolgs“, freute sich Vertriebschef Jean-Marc Gales Anfang Januar. Und der US-Mutterkonzern General Motors feierte den Astra, weil er die Lücke zum VW Golf fast geschlossen habe. Balsam auf die Seelen der gebeutelten Opelaner.

Doch jetzt, nur zwei Monate später, verfliegt die prächtige Laune schon wieder so schnell, wie sie kam. GM-Europa- Präsident Carl-Peter Forster und Opel-Chef Hans Demant rissen die Opelaner auf dem Auto-Salon in Genf aus allen Träumen. Die schlichte Wahrheit lautet: Opel hat für den Bau des künftigen Astra ab 2009 ein Werk zu viel. „Nach den gegenwärtigen Planungen sieht es aus, als bräuchten wir in Zukunft weniger Werke“, ließ sich Demant zitieren. „Wir müssen womöglich das eine oder andere Werk schließen“, betonte Forster. Auf 200 000 Fahrzeuge pro Jahr werden die Überkapazitäten geschätzt, was einem Werk entspricht. Über die künftige Zahl der Astra-Fabriken werde noch 2006 entschieden, sagte Forster. Die Produktion in allen vier europäischen Astra-Werken gleichmäßig zu reduzieren, reiche nicht mehr aus.

Nach Ansicht von Professor Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte an der Fachhochschule Gelsenkirchen, wird das Management von Versäumnissen der Vergangenheit eingeholt. Vor einem Jahr hatten GM und Opel in Europa zwar den bislang größten Stellenabbau durchgedrückt, vor der Schließung eines Werkes aber zurückgeschreckt. Der im vergangenen Jahr geschlossene Sanierungsvertrag kostet europaweit zwar 12 000 Arbeitsplätze, sichert die übrige Beschäftigung aber bis 2010. Ein Werk wurde aber eben nicht geschlossen. „Jetzt erkennt man, dass es mindestens eine Fabrik zu viel gibt“, sagt Dudenhöffer. Der Astra sei nur auf den ersten Blick gut verkauft worden. „Ein großer Teil sind gewerbliche Zulassungen, so gut wie erwartet läuft das Modell nicht.“ Und auf den Nachfolger, der Ende des Jahrzehnts komme, warteten neue Probleme. Die Konkurrenz wachse, weil die Koreaner in den Markt drängten und auch die Chinesen auf dem Sprung stünden. Auch erwäge Opel, den neuen Astra vorzuziehen, weil VW den neuen Golf schon im Sommer 2008 starten will.

„Aus diesen Gründen und wegen des langen Vorlaufs für die Produktion müssen GM und Opel noch 2006 entscheiden. Eine Alternative zu einer Werksschließung ist nicht erkennbar“, sagt Dudenhöffer. Von den vier Werken, in denen der Astra gebaut wird, stehe allein die Fabrik im polnischen Gleiwitz nicht zur Disposition, weil sie erst acht Jahre alt ist, im wichtigen osteuropäischen Markt liegt und eine günstige Kostenstruktur vorweisen kann. Laut Dudenhöffer kann es nur um die Werke in Bochum mit 7000 Mitarbeitern, im belgischen Antwerpen (4700) und im britischen Ellesmere Port (3500) gehen. Alle drei Standorte haben über 40 Jahre auf dem Buckel und gelten trotz etlicher Modernisierungen als veraltet. Entscheidend seien daher die jeweiligen Bedingungen des Umfeldes, glaubt Dudenhöffer – also Arbeits-, Energie- und Logistikkosten.

Dabei haben das britische und das belgische Werk im Vergleich mit Bochum die Nase vorn, hat er errechnet. „In Ellesmere Port liegen die Produktionskosten pro Auto um 540 Euro niedriger, in Antwerpen um 190 Euro.“ Bei einem Produktionswert eines Astra von 9000 Euro sei dies eine wichtige Größe.Unter diesem Blickwinkel hätte Bochum die schlechtesten Karten. „Der Übergang zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich würde schon helfen“, glaubt Dudenhöffer. Andererseits wäre eine Schließung des Bochumer Werks politisch nur schwer durchzusetzen, und ähnlich verhält es sich in Ellesmere Port. Also Antwerpen?

„GM und Opel steuern ohne Zweifel auf einen neuen schweren Konflikt zu“, sagt Dudenhöffer. Es könnte schlimmer werden als im Herbst 2004, als GM den bisher schärfsten Einschnitt in der Opel- Geschichte angekündigt hatte. Das europäische Arbeitnehmerforum von GM und der Europäische Metallgewerkschaftsbund weisen die Absicht des Managements zurück. „Wir werden über das abgeschlossene Restrukturierungsprogramm hinaus keinen weiteren Arbeitsplatzabbau und schon gar nicht Werksschließungen egal wo in Europa zulassen“, sagte Klaus Franz, Chef des Opel-Betriebsrats.

Ohnehin geht es den Oberen wohl nicht nur um die Überkapazitäten. Der Opel-Betriebsrat berichtete, GM erwäge, in der Nähe der polnischen Hauptstadt Warschau eine Produktionsstätte zu kaufen. GM dementierte weich: Es gebe derzeit „keine konkreten Absichten“, in Europa ein Werk zu kaufen oder zu bauen.

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