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Opels Zukunft: "Aus Opel und Fiat würde ruckzuck Op-iat"

Opel-Aufsichtsrat Armin Schild spricht mit dem Tagesspiegel über die Rettung des Autoherstellers, über Fiat und Magna sowie über Wirtschaftsminister Guttenberg als Nachfolger von Friedrich Merz.

Herr Schild, warum gehen die Amerikaner „geradliniger“ mit der Krisenbewältigung bei  Chrysler und General Motors um als die Deutschen bei Opel, wie Sie beklagen?



Weil es nie wirklich infrage stand, ob die US-Regierung General Motors rettet oder nicht. Es gab immer nur das Wie. Die Amerikaner gehen pragmatisch ran, unsere Regierung eher ordnungspolitisch schlaumeiernd. Die Obama-Regierung hält sich nicht lange mit irgendwelchen Theorien oder Glaubenssätzen auf und konzentriert sich auf eine pragmatische Lösung. Dagegen haben viele bei unserem Wirtschaftsminister Zweifel, ob überhaupt der Wille zu einer Lösung im Sinne des Unternehmens und seiner Beschäftigten im Vordergrund steht.

Was lässt Sie zweifeln?

Das Ministerium hat immer wieder Bedenken ins Gespräch gebracht: Zum Beispiel die Frage der Opel-Patente, die verpfändeten Immobilien oder die Kosten der Vorruhestandsregelung. Da wurden Dinge öffentlich dramatisiert, die in Wirklichkeit Selbstverständlichkeiten sind. Im Ergebnis wurde Stimmung gegen Opel gemacht. Da, darf man meinen, steckt eine Regie dahinter, die andere Absichten hat als die Rettung von Opel.

Welche Absichten könnte Wirtschaftsminister Guttenberg verfolgen?

Das Wirtschaftsministerium verfügt über alle internen Daten des Unternehmens, das um Hilfe bittet. Wenn dann dieses Ministerium permanent als Absender von vermeintlich schlechten Daten über Opel agiert, dann ist das fragwürdig. Vielleicht liegt das daran, dass auf der Hühnerleiter der Unionsfraktion das wirtschaftsliberale Plätzchen frei ist, das früher Friedrich Merz einnahm. Das schadet Opel. Auch der Zeitdruck schadet.

Eine schnelle Lösung ist doch gut für Opel.


Wohl eher nicht. Viel vernünftiger als der schnelle Vertrag mit einem Investor wäre die Ansage der Regierung, dass man das Unternehmen nicht untergehen lässt und dafür auch eine befristete Beteiligung des Staates nicht ausschließt. Das würde auch die Verhandlungsposition zu den bekannten Interessenten verbessern.

Opel gerät zunehmend in den Bundestagswahlkampf – ist das gut oder schlecht?

Es ist ein Risiko, wenn Sachfragen populistisch erörtert werden. Ich erwarte von der Politik, dass die Interessen der Beschäftigten bei Opel, seinen Zulieferern und der Steuerzahler Priorität haben. Das größte Risiko ist, dass eine wahlkampfbedingt übereilte Entscheidung getroffen wird, die fragwürdigen ordnungspolitischen Leitbildern entspricht und Opel mit zwei schwierigen Müttern zurücklässt.

Dass die Politik nicht en passant 3,3 Milliarden Euro für Opel absichert, darf der Steuerzahler aber auch erwarten.

Opel steht auf der öffentlichen Bühne und deshalb gibt es so viel Theater in dieser Sache. Was glauben Sie, wie viele Unternehmen gerade mit öffentlichen Bürgschaften gestützt werden?

Was glauben Sie?


Allein in der Metallindustrie sind es in den vier Bundesländern, in denen ich zuständig bin, derzeit 15. Das sind nicht die Schlechtesten. Und es werden von Monat zu Monat mehr.

Immerhin hört man keine Stimmen mehr, die einer Opel-Insolvenz das Wort reden. Die Rettung scheint wahrscheinlich.


Es gibt immer noch eine Variante des Drehbuchs mit der Insolvenz von Opel. Wie es am Ende wirklich kommt, hängt stark davon ab, was in den USA passiert. Dort werden wir aber vermutlich bis Mitte Mai eine Entscheidung haben, die eine Opel-Insolvenz auf Sicht ausschließt.

Wieso hat das Geschehen bei General Motors noch Auswirkungen auf die geplante europäische Opel AG?

General Motors ist immer noch die Opel-Mutter. Die entscheidende Frage ist, ob wir in der Lage sind, in den nächsten Wochen die Opel AG zu konstituieren. Bis Mitte Mai wird es wohl eine chirurgische Insolvenz von GM geben mit der Herauslösung von Teilen, die nicht überlebensfähig sind. Und anschließend wird GM mit Staatsbeteiligung weitergeführt. Und das im Mutterland des Kapitalismus. Wenn es so weit ist, müssen Verträge zwischen GM und Opel vorliegen, die den Zugriff auf Technologien und die künftigen gemeinsamen Aktivitäten von GM und Opel regeln.

Und ist das realistisch?

Auf unserer Seite des Atlantiks müssen die Grundzüge der Opel Europa AG geklärt sein. Aber nochmal: Ohne Zeitdruck, denn das schadet nur der seriösen Partnersuche, also der Entscheidung darüber, wer zu welchen Konditionen die Mehrheit an dem neuen Unternehmen hält und das Unternehmen mit weiterem Stammkapital ausrüstet. Das Konzept kommt zuerst. Dann der Termin.

Wer verhandelt mit Magna und Fiat?

Ich denke, die Bundesregierung, die GM- Führung und der Europa-Chef von GM.

Hat Fiat nach dem Einstieg bei Chrysler jetzt bessere Karten?


Die bittere Erfahrung zeigt, diese beiden Unternehmen geben sich nichts, sondern nehmen sich nur. Die Marke würde nicht gestärkt, sondern geschwächt und die Dominanz über Opel würde nicht beendet, sondern nur von Detroit nach Turin verlegt. Es wäre eine Frage der Zeit, bis Belegschaften und Standorte gegeneinander ausgespielt würden. Aus Opel und Fiat würde ruckzuck Op-iat.

Also Magna?

Anders als Fiat wollen Magna und seine russischen Partner angeblich fünf Milliarden Euro investieren für einen Anteil von gut 50 Prozent an der neuen Opel AG. Das ist endlich mal ein plausibler Betrag, der ungefähr dem angestrebten Wert des Anteils an Opel entspricht. Eine ausreichende Ausstattung mit Eigenkapital ist auch erforderlich, weil Opel in den kommenden Jahren eine Fußwanderung durch die Wüste Gobi vor sich hat; da braucht man reichlich Wasser und gutes Schuhwerk. Die Wirtschaftskrise dauert, und Opel wird, wie die Autoindustrie insgesamt, noch schwer zu kämpfen haben.

Und was spricht gegen Magna?


Magna ist mit Blick auf die Mitbestimmungskultur sicher kein Wunschpartner der IG Metall. Wenn jetzt nicht unter hohem Zeitdruck verhandelt würde, dann kämen sicher noch andere strategische Investoren in Frage. Die halten sich in der aktuellen Krise und bei dem öffentlichen Schauspiel rund um Opel zurück.

Auf welche Opfer muss sich die Opel-Belegschaft einstellen?


Wir kennen den Kranz von Maßnahmen, die zur Kostensenkung beitragen können und die wir bereit sind einzubringen, um betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Welche konkreten Arbeitnehmerbeiträge es gibt, werden wir dann vorlegen, wenn der Investor und das Konzept des Investors feststeht.

Sie stellen das Geschäftsmodell der Autoindustrie insgesamt infrage. Was kommt stattdessen?

Das neue Geschäftsmodell muss die vier Krisen der Gegenwart berücksichtigen: Ressourcen- und Umweltkrise, Wirtschafts- und Finanzkrise. Allerdings ist die derzeitige deutsche Wirtschaftspolitik offenbar nicht in der Lage, die Eckpunkte eines solchen neuen Modells zu definieren. Da überwiegt doch eher die Einschätzung, es werde nach der Krise so weitergehen wie gehabt. Doch die USA zum Beispiel werden nie wieder so viele Premiumautos aus Deutschland kaufen wie in den vergangenen Jahren. Das trifft besonders die deutsche Autoindustrie, die sich erheblich umstellen muss.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

KARRIERE

Der Hesse Armin Schild lernte Stahlformenbau und studierte anschließend Sozialpädagogik. Die Laufbahn bei der IG Metall begann in Gießen, wo Schild als Gewerkschaftssekretär fungierte. 1992 wechselte er in die Vorstandszentrale nach Frankfurt, wo er sich bis zum Chef der Tarifabteilung hocharbeitetete. Seit knapp fünf Jahren ist Schild Bezirksleiter.

FUNKTION

Schild ist Chef des IG-Metall-Bezirks Mitte, der Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und das Saarland mit rund 315 000 IG-Metall-Mitgliedern umfasst. Neben dem Gewerkschaftsvorstand um den Vorsitzenden Berthold Huber sind die sieben Bezirksleiter die mächtigsten Funktionäre der Gewerkschaft. Der 47-jährige Schild ist ein ausgebuffter Tarifexperte mit Ambitionen: Neben NRW-Bezirksleiter Oliver Burkhard gilt er als Kandidat für den Spitzenposten nach Huber.

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