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"Open Source": Software zum Mitmachen

Freie Programme aus dem Internet gelten als zukunftsweisend. Berlin könnte eine Modellregion für "Open Source" werden.

Berlin - Die Berliner Wasserbetriebe haben ihr gesamtes Kanal- und Rohrsystem digitalisiert. So können sie Instandhaltungsarbeiten besser steuern. Das Besondere: das Projekt basiert auf Open- Source-Technologie, freier Software also, die für jeden im Internet zugänglich ist. Auch die Allianz-Arena in München wird mit ihrer Hilfe beleuchtet. Sie steckt in Testprogrammen, die die Fahrzeugsicherheit fast aller deutschen Autohersteller prüft. Wir haben täglich mit Open Source zu tun, ohne es zu wissen. Und Berlin könnte eine Modellregion für Open Source werden, legt eine aktuelle Studie nahe.

Die Firma Micus hat im Auftrag der Technologiestiftung Berlin (TSB) ermittelt, welche Rolle Open Source derzeit in der Hauptstadt spielt: Schon jetzt arbeiten demnach in Berlin rund 9700 Menschen in 600 Firmen in dem Bereich, der mit kostenlosen Programmen wie „Apache“ oder „Linux“ Softwareriesen wie Microsoft Konkurrenz macht. Der Umsatz der Branche summiert sich auf 150 Millionen Euro im Jahr.

Immer mehr Firmen entdecken, dass sich mit dem Prinzip richtig Geld sparen lässt. „Die Kosten lassen sich um etwa 80 Prozent reduzieren“, schätzt Michael Arndt, Leiter der Geschäftsstelle Berlin der Science + Computing AG. Die Firma berät unter anderem Audi, BMW und Daimler in Sachen Linux & Co.

Befürworter führen einige Vorteile ins Feld: Firmen sparen teure Lizenzen, sie machen sich weitgehend unabhängig von Lieferanten und Herstellern. Und: „Man ist immer am vorderen Rand der Entwicklung“, sagt Oliver Zeiler von der Onlineplattform Immobilienscout 24, die auf frei zugängliche Programme setzt. Das Wissen vermehre sich dadurch, dass alle gemeinsam an einer Lösung arbeiteten. Allerdings hat auch Open Source einen Haken: Die Firmen sparen zwar Lizenzgebühren, müssen jedoch Experten bezahlen, die die Programmiercodes der Software beherrschen. „Wichtig ist am Ende, dass es sich rechnet“, sagt Zeiler.

Weil inzwischen viele Unternehmen eine positive Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht haben, wächst um Open Source herum ein Dienstleistungsmarkt. Darin sieht die Studie eine Chance für Berlin. Die Hauptstadt sei noch keine Open-Source-Region, habe aber großes Potenzial, eine zu werden. „Unternehmen sollten sich stärker auf Service und die Begleitung von IT-Projekten spezialisieren“, fordert Michael Stamm von der TSB. Auf der Suche nach passenden Geschäftsmodellen würde die TSB helfen.

Die Stiftung ist vom Land Berlin damit beauftragt, Open-Source-Strategien für die Region zu entwickeln. Als möglichen Motor für die Entwicklung sehen die Autoren der Studie die öffentliche Hand. Statt in teure Lizenzprodukte zu investieren, solle die Verwaltung lieber Open- Source-Projekte in der Region unterstützen, fordert auch Philipp Ottlinger von der Firma Neofonie. Die Ausgründung der TU Berlin ist durch die erste deutsche Suchmaschine „Fireball“ bekannt geworden und inzwischen auf mehr als 160 Mitarbeiter angewachsen. Bei Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), rennen sie mit solchen Forderungen offene Türen ein. „Da kann und muss noch mehr kommen“, sagt er. Wolf hat in seiner Verwaltung den Serverbetrieb auf Open-Source-Software umstellen lassen.

„Bequemlichkeit und Angst“, nennt Nino Grüttke als Gründe dafür, dass Open Source nicht verbreiteter ist. Grüttke organisiert für die Messe Berlin seit drei Jahren den Linux-Tag, der in diesem Jahr vom 24. bis zum 27. Juni stattfindet. Nach eigenen Angaben ist es der größte Open-Source-Treffpunkt Europas. Die Bequemlichkeit könne man nicht nehmen, aber die Angst.Matthias Jekosch

Matthias Jekosch

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