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Wirtschaft: Opposition: Langzeitarbeitslosen droht Chaos

Nach Scheitern der Gespräche über die Hartz-Reform fürchten FDP und Union um die Betreuung der Jobsuchenden

Berlin (brö). Hunderttausende Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes II könnten ab Januar 2005 ohne Bezüge dastehen, weil die ArbeitsmarktReform der Bundesregierung nicht funktioniert. Außerdem werde sich die Betreuung Langzeitarbeitsloser dramatisch verschlechtern. Das befürchtet die Opposition im Bundestag, nachdem sie sich mit der Regierung nicht über die Details bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hatte einigen können. Gegen das zu erwartende Chaos ab dem kommenden Jahr sei „das Gezerre um das Dosenpfand Kinderkram“, sagte Dirk Niebel, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP, dem Tagesspiegel.

Bei dem Streit geht es darum, wer in Zukunft für die Betreuung Langzeitarbeitsloser zuständig sein soll. Hintergrund: Im vergangenen Dezember hatten sich Regierung und Opposition darauf verständigt, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen, um die Effizienz staatlicher Leistungen zu erhöhen. Bislang wird die Arbeitslosenhilfe von der Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Sozialhilfe von den Kommunen ausgezahlt. In Zukunft soll diese Leistung zum Arbeitslosengeld II zusammengefasst werden.

Der Vereinbarung im Vermittlungsausschuss Ende 2003 zufolge sollten Kommunen zudem die Möglichkeit bekommen, an Stelle der BA die Betreuung Langzeitarbeitsloser zu übernehmen. Strittig war nun die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Städte und Gemeinden das Geld dafür bekommen: Damit es direkt vom Bund an die Kommunen fließen kann, wäre eine Verfassungsänderung nötig, findet die Union. Die Regierung lehnt dies aber ab und will die neuen Finanzbeziehungen mit einem einfachen Gesetz regeln, das am Freitag in den Bundestag kommen soll. An der Verfassungs-Frage waren am Mittwoch die Konsensgespräche über diese so genannte „Hartz IV“-Reform gescheitert. Das neue Gesetz der Koalition wird vermutlich im Vermittlungsausschuss landen. Gibt es dort keinen Kompromiss, werden Kommunen und BA ab 2005 bei der Betreuung Langzeitarbeitsloser kooperieren können.

Dieses Modell wird nicht funktionieren, befürchtet nun die Opposition. „Im schlimmsten Fall ist die BA dann nicht nur für die 4,5 Millionen Arbeitslosen, sondern auch noch für die jetzigen Sozialhilfeempfänger und ihre Familien zuständig“, sagte der FDP-Mann Niebel. Deren Zahl wird auf drei Millionen Menschen geschätzt. „Dabei ist die BA schon jetzt mit der erfolgreichen Vermittlung Arbeitsloser überfordert.“ In Sachen Schuldnerberatung oder Drogenhilfe sei sie nicht qualifiziert. Hinzu komme die Problematik mit der EDV: Womöglich hätten die Arbeitsagenturen 2005 noch nicht die persönlichen Daten der Langzeitarbeitslosen von den Kommunen bekommen. „Dann können sie keine Bezüge auszahlen – das würde in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen.“

Die BA wies solche Befürchtungen zurück. „Wir arbeiten daran, dass die Betreuung Langzeitarbeitsloser funktionieren wird“, sagte eine Sprecherin der BA in Nürnberg. Man habe bereits kalkuliert, dass Opposition und Regierung zu keiner Einigung kommen würden und deshalb die BA die finanzielle Betreuung übernehmen müsse. Die Bezüge würden pünktlich gezahlt, versicherte sie.

Wenig Chancen auf Einigung

Die Union kritisierte die Folgen, die sich aus dem Scheitern der Konsensgespräche ergeben. „Die Großorganisation BA wird immer größer und größer – die Vorstellungen der Hartz-Kommission gingen genau in die entgegengesetzte Richtung“, sagte Karl-Josef Laumann, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Nun stünden viele Innovationen, die im Zuge der Reformen kommen sollten, wieder auf dem Spiel. Das werde „katastrophale Folgen“ für die Arbeitslosen haben, prognostizierte er.

Derweil wird unwahrscheinlich, dass es rechtzeitig eine Einigung von Bundesrat und Bundestag geben wird. Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) kündigte an, den Gesetzesvorschlag der Regierung in der Länderkammer abzulehnen. „Das werden wir so nicht akzeptieren“, sagte er. Die Bundesregierung weigere sich, eine für die Kommunen finanziell akzeptable und administrativ zumutbare Umsetzung der Optionsregelung zu schaffen, fügte Teufel hinzu.

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