zum Hauptinhalt
Organische Leuchtdioden ermöglichen bieg- und faltbare Displays.

© Arne Dedert/dpa

Organische Leuchtdioden: Merck revolutioniert Displays

Der Darmstädter Chemiekonzern ist bereits Weltmarktführer bei Flüssigkristallen. Mit einer Innovation will er nun den Markt für Smartphones und Fernseher aufrollen.

Es ist nur auf den ersten Blick eine langweilige Baustelle mehr auf dem Gelände des traditionsreichen Pharma- und Chemie-Konzerns Merck in Darmstadt. Könnten Passanten meinen und wieder auf ihr Smartphone blicken. Dabei ahnen die meisten nicht, dass in dem Neubau an der Zukunft des Displays gearbeitet wird – und dass es das Gerät ohne das, was sich in den Gebäuden von Merck abspielt, gar nicht geben würde.

Flüssigkristalle werden hier in Hochtechnologieanlagen und Reinräumen produziert. Ohne diese Materialien würden die Displays des Smartphones ebenso wenig funktionieren wie Tablets oder Flachbildfernseher. „Dabei sind für ein Smartphone-Display gerade mal etwa ein halbes Gramm Flüssigkristalle notwendig, für einen 45 Zoll Flachbild-Fernseher zwei bis drei Gramm“, sagt Walter Galinat, Mitglied der Geschäftsführung von Merck, dort für Flüssigkristalle und OLEDs verantwortlich.

Seit Jahren ist Merck Weltmarktführer für Flüssigkristalle und beliefert fast alle weltweit führenden Smartphone-, Tablet- und TV-Hersteller. Details über Umsätze nennt Galinat nicht, aber sie dürften im Milliarden-Bereich liegen mit ansehnlichen Gewinnen.

Displays werden dünner und leuchten selbstständig

Die Zukunft verbirgt sich aber hinter den vier Buchstaben OLED. Zum Teil ist sie schon Realität, in Smartphones und auch in Fernsehgeräten. Organische Leuchtdioden haben gegenüber Flüssigkristallen, die LED-Displays zum Leuchten bringen, mehrere Vorzüge, schwärmt Galinat. Sie benötigen keine Hintergrundbeleuchtung, sie leuchten selbstständig. Damit erhöht sich die Akkulaufzeit eines Smartphones um 20 bis 30 Prozent, der Energieverbrauch von Fernsehern sinkt deutlich. Die Farben sind brillanter.

Mit OLED können Displays extrem dünn gestaltet werden, auch durchsichtige Displays sind möglich. Bieg- und faltbare ebenfalls. Displays in Schreibtischgröße könnten so auf die Größe eines Smartphones zusammengelegt oder aufgerollt werden. Für Beleuchtungssysteme eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten. „Mit OLED-Displays sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt: Displays in Autos, transparente Bildschirme, faktisch leuchtende Häuser, Wände und Fenster, riesige Anzeigetafeln und Verkehrsleitsysteme sowie flexible Displays, die sich biegen, falten und rollen lassen“, sagt Galinat. Die Automobilindustrie und die Medizintechnik, aber auch Uhrenhersteller sind stark interessiert.

Seit zehn Jahren befassen sich Chemiker, Physiker und Ingenieure bei Merck mit organischen Leuchtdioden. 2010 eröffnete Merck in Darmstadt ein eigenes OLED-Innovationszentrum – für den neuen Merck-Chef Stefan Oschmann ist es „schon ein bisschen Google-mäßig“.

OLED-Neubau wird im September fertig

Jetzt stehen die Experten vor dem nächsten Schub, der den Konzern wie bei Flüssigkristallen auch bei OLEDs an die Weltspitze führen soll: Im September wird der OLED-Neubau fertig sein. Mit 30 Millionen Euro ist es eine der größten Investitionen, die Merck je getätigt hat. Für Galinat ist sie Beleg dafür, dass die Produktion von innovativer Hochtechnologie am Standort Deutschland Zukunft hat.

Auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag hat Merck den Umsatz mit OLED im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. 2016 soll er dreistellig werden, spätestens 2017 die Gewinnschwelle erreicht werden. Eine zentrale Rolle dabei spielt ein fast revolutionäres Verfahren zum Auftragen der OLEDs auf die Displays.

Neue Drucktechnik macht Bildschirme billiger

Für jede Diode werden derzeit mehrere hauchdünne Materialschichten in einem Dampfverfahren aufgebracht. Das ist teuer, außerdem geht die Hälfte des OLED-Materials verloren. Künftig sollen die Displays, auch großflächig, bedruckt werden – im Prinzip so wie Papier im Tintenstrahl-Drucker. Großer Vorteil: Die Auftragung der OLED ist viel exakter möglich, bei normaler Raumtemperatur und normalen Luftdruck. Und nur wenig Material geht verloren. Das senkt die Kosten deutlich.

Gemeinsam mit dem japanischen Drucker-Hersteller Seiko Epson arbeiten die Merck-Spezialisten seit 2012 an OLED-Drucktinten. In Korea laufen Pilotprojekte für OLED-Druckverfahren auf großen Anlagen. Schon 2017 sei die erste Markteinführung gedruckter OLED- Bildschirme und Fernseher denkbar, sagt Galinat.

Bis zur massenhaften Produktion von gedruckten OLED-Displays werden, sagt Galinat, noch einige Jahre vergehen. Bei Flüssigkristallen habe es von der ersten Idee bis zur kommerziellen Nutzung schließlich auch 40 Jahre gedauert. So viel Zeit will Merck diesmal nicht verstreichen lassen.

Das Potential ist riesig. Pro Jahr werden weltweit etwa eine Milliarde Smartphones verkauft, mehrere Hundert Millionen Tablets und 250 Millionen Flachbildfernseher. 2018 will Merck auch im lukrativen OLED-Geschäft Weltmarktführer sein. Dann soll sich der weltweite Bedarf von OLED-Displays pro Jahr von heute drei Quadrat-Kilometer auf neun verdreifacht haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false