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Schlagende Thesen. Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm kämpft gegen die Leiharbeit. Seine Argumente untermalt er mit Handkantenschlägen.

© ddp

Ortstermin: Das Monster Leiharbeit

Moritz Honert trifft Norbert Blüm, Herbert Ehrenberg und irgendwie auch Walter Riester - ein Ortstermin mit zweieinhalb ehemaligen Arbeitsministern zum Thema Leiharbeit.

Norbert Blüm klingt, als kämpfe er gegen ein gefährliches Monster: „Klauen stutzen!“ ruft er in den Saal – und „Zähne ziehen!“ Schließlich gelte es, einen elementaren Angriff auf unser Sozialsystem abzuwehren. Um nicht weniger als den Kampf gegen Sklaverei. Es ist Dienstagmorgen in Berlin, und der Ex-Bundesarbeitsminister von der CDU ist in seinem Element. Das Monster, gegen das er antritt, heißt Leiharbeit. Sein Redemanuskript würdigt er keines Blickes. Auch ohne geht es bei ihm Schlag auf Schlag. Buchstäblich. „Die Leiharbeit ist ein trojanisches Pferd gegen Tarifverträge“, sagt er und zerteilt mit der linken Handkante die Luft. „Sittenverfall!“ poltert er. Zack. „Menschen werden zu Ersatzteilen.“ Wieder fällt der Arm.

Blüm ist einer der Schirmherren der Initiative „Gleiche Arbeit – gleicher Lohn“. Ausgerufen hat sie die IG Metall, deren Mitglied Blüm seit 1949 ist. Neben ihm hat die Industriegewerkschaft noch zwei weitere Ex-Arbeitsminister gewinnen können: Einer davon, Herbert Ehrenberg, SPD-Arbeitsminister zwischen 1976 und 1982 unter Helmut Schmidt, sitzt neben Blüm auf dem Podium im Saal 5 des Hauses der Bundespressekonferenz. Der dritte im Bunde, Walter Riester, SPD-Bundesminister von 1998 bis 2002, ist verhindert. Er lässt sein Geleitwort per Videobotschaft einspielen. Mit großen Worten sparen auch diese Herren nicht. Von einer „Spaltung der Gesellschaft“ spricht Ehrenberg, von einer „Praxis, die völlig aus dem Ruder gelaufen ist“, berichtet Riester.

IG-Metall-Vizechef Detlef Wetzel nickt ernst. „Unser Ziel ist es, ein Bündnis zu schmieden, das sich für faire Bedingungen in der Leiharbeit einsetzt“, erklärt er. Angestoßen werden soll eine gesellschaftliche Debatte, wie Leiharbeit begrenzt und gestaltet werden kann.

Umfrage: 78 Prozent der Deutschen sehen Leiharbeit kritisch

Die Mehrheit der Bevölkerung habe seine Gewerkschaft dabei hinter sich, sagt er. Das habe eine Umfrage von TNS Infratest gerade ergeben. Demnach sehen 78 Prozent der Deutschen Leiharbeit kritisch und befürchten, dass sie reguläre Jobs verdränge. Genauso viele stimmten der Aussage zu, Leiharbeit sei eine „moderne Form der Ausbeutung“.

Mit sichtlicher Freude erfüllt Wetzel das Ergebnis, dass besonders viele Anhänger von CDU und FDP diese Meinung vertreten. Bei den Wählern der Liberalen erreicht die Ausbeutungsthese sogar eine Zustimmung von 84 Prozent. Konkret fordert die IG Metall, dass Leiharbeiter nur zeitlich befristet in Unternehmen geschickt werden dürfen. Und sie will gleiche Arbeitsbedingungen für Leiharbeit – wie es eine EU-Richtlinie längst vorschreibt.

Blüm reicht das aber noch nicht. „Solange wir kein flächendeckendes Tarifsystem in Deutschland haben, brauchen wir zusätzlich Mindestlöhne“, sagt er. Das Podium nickt. Kommen sie nicht, kommt der Aufstand, ist sich Blüm sicher. Spätestens 2011. Dann nämlich tritt die Arbeitnehmer-Freizügigkeit in Kraft, dann kann in Europa jeder arbeiten, wo er will. Und dann würden die anständigen Handwerker auf die Barrikaden gehen, weil sie nicht mehr mit ihren Konkurrenten, die Dumpinglöhne an Arbeiter aus Osteuropa zahlen, mithalten können. „Ich wette mein bescheidenes Vermögen“, sagt Blüm und holt aus, „dass das genau so kommt.“ Handkantenschlag.

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