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© dpa-Zentralbild

Ost-Deutschland: Verblühende Landschaften

Ost-Forscher schlagen Alarm: Die Mieten sind hoch, die Jungen gehen weg, die Perspektiven sind schlecht.

Von Matthias Meisner

Berlin - Noch immer werden im Osten viel niedrigere Löhne gezahlt als im Westen, dennoch sind die Arbeitslosenzahlen deutlich höher. Gleichwohl hat Ulrich Blum, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, eine „grandiose Aufbauleistung“ festgestellt. Bei der Vorstellung einer Studie zu Ostdeutschlands Transformation seit der Wende benannte er am Montag in Berlin aber auch erhebliche Risiken für die weitere Entwicklung. Denn wichtige Standortvorteile der neuen Länder fallen nach und nach weg: Die bisher noch etwas niedrigeren Lebenshaltungskosten gleichen sich an. Wegen der Abwanderung von jungen, qualifizierten Menschen nach Westdeutschland sei zudem künftig sogar mit einem Fachkräftemangel zu rechnen, „Nachschub“ für den Arbeitsmarkt fehle auch wegen des extremen Geburtenrückgangs nach der Wende.

Die Forscher haben unter anderem die Wohnungsmieten ausgewählter Großstädte in Ost- und Westdeutschland verglichen, denn sie beanspruchen einen wesentlichen Teil des Budgets der privaten Haushalte. Das Ergebnis: Zwar liegt München erwartungsgemäß vorn, eine Mietwohnung ist dort doppelt so teuer wie in Magdeburg, das die „rote Laterne“ hat. Doch schon Rostock sorgt in der Statistik für eine Überraschung – hier ist das Mieten teurer als in Nürnberg und mehreren Städten des Ruhrgebiets. Obwohl Essen und Dortmund wesentlich mehr Einwohner haben als viele der ausgewählten ostdeutschen Städte, liegen die Mietpreise auf ähnlichem Niveau. Hinzu kommt: Die Strom- und Gaspreise sind in Ost-Großstädten, vor allem in Leipzig, zum Teil deutlich höher als in Westdeutschland, Berlin ist da nur eine Ausnahme.

Als dramatisch werten die Wissenschaftler die Auswirkungen der Migration von Ost nach West. Per Saldo habe Ostdeutschland seit der Wende 1,8 Millionen Menschen verloren, IWH-Präsident Blum spricht von einem „massiven Bevölkerungsverlust, sich entleerenden Gebieten“. Hamburgs früherer Erster Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) schrieb im Geleitwort, die „Entvölkerung“ sei heute, neben der dennoch doppelt so hohen Arbeitslosenrate, die wohl größte Schwäche des deutschen Ostens. Blum betonte, der Wirtschaftsaufschwung vor allem im deutschen Südwesten Mitte der 90er Jahre wäre ohne die vielen „hochproduktiven jungen Leute“ aus Ostdeutschland nicht möglich gewesen. Auch die Hauptstadt kann wenig herausreißen – Berlin habe anders als Frankfurt am Main oder München „nicht die ökonomische Ausstrahlung“, sagte er. Im Vergleich mit den anderen neuen EU-Staaten steht Ostdeutschland jedoch besser da. Slowenien gilt als Sonderfall, ansonsten reicht nur Tschechien nahe an die Bilanz der neuen Länder heran.

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