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Wirtschaft: Ost-Metaller streiten um die Arbeitszeit

Die IG Metall beharrt auf Einführung der 35-Stunden-Woche, die Arbeitgeber schließen Arbeitskampf nicht aus

Berlin (alf). Wenige Tage vor den Verhandlungen über eine Arbeitszeitverkürzung in der ostdeutschen Metallindustrie haben die Kontrahenten ihre Positionen bekräftigt. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, sprach am Donnerstag in Berlin von „unüberbrückbaren“ Differenzen mit der IG Metall. Dagegen ist nach deren Einschätzung „eine schrittweise Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden in der ostdeutschen Metallindustrie finanzierbar“. Die Kostensituation der Betriebe sei „so günstig wie nie“, meinte IG MetallVize Jürgen Peters. Die Tarifparteien verhandeln erstmals am 19. Februar in Berlin und dann zwei Tage später in Dresden über die Arbeitszeitverkürzung Ost.

Das Thema steckt laut Arbeitgeberpräsident Kannegiesser den Unternehmen „wie ein Gräte im Hals“. Die gegenwärtig schwierige Konjunktursituation sei „der völlig falsche Zeitpunkt, dieses Thema anzugehen“. Im Moment sehe er auch in den Verhandlungen „keine Chance für einen Kompromiss“, sagte Kannegiesser. „Wir müssen bereit sein, uns mit einem Arbeitskampf auseinanderzusetzen“. Die Produktivität der ostdeutschen Metallbetriebe liege derzeit bei rund 65 Prozent des Westniveaus, die Tarifkosten erreichten aber bereits 99 Prozent. Diese Differenz werde durch die um drei Stunden längere Wochenarbeitszeit ausgeglichen, sagte Kannegiesser. Wenn die Beschäftigten künftig drei Stunden weniger arbeiteten, bedeute das für die Firmen zusätzliche Personalkosten von 8,6 Prozent. „Die fahren dann an die Wand“, sagte Kannegiesser.

Der Gesamtmetall-Präsident, der selbst eine Maschinenfabrik in Westfalen leitet, bekannte sich zwar zum Aufholprozess – „das Ziel der Angleichung ist richtig“. Dieser Prozess müsse sich jedoch „aus der wirtschaftlichen Leistungskraft herausbilden“. Den Aufholprozess im Osten sieht Kannegiesser sogar verzögert, wenn sich die IG Metall durchsetzen sollte. „Wenn wir die wirtschaftliche Kluft in Deutschland nicht noch weiter vertiefen wollen, dann brauchen wir noch für eine lange Zeit den Unterschied bei der Arbeitszeitdauer“, sagte der Gesamtmetaller.

Der IG Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel argumentiert mit einer anderen Rechnung dagegen. Nach seinen Angaben, und er verweist auf Daten des Statistischen Bundesamtes, wuchs die Produktivität im Osten binnen fünf Jahren um 46,2 Prozent, im Westen seien es nur 15,1 Prozent gewesen. Der Umsatz der ostdeutschen Metallindustrie sei in den letzten zwei Jahren um neun Prozent gestiegen, im Westen jedoch gleichzeitig gesunken. Die Beschäftigung, so Zwickel weiter, sei in den Ostbetrieben binnen fünf Jahren um 12,8 Prozent gestiegen. Das bestreitet auch Gesamtmetall nicht. Seit 1997 habe es in den ostdeutschen Metallbetrieben 50 000 neue Arbeitsplätze gegeben, in der zehnmal so großen westdeutschen Branche sei die Beschäftigtenzahl gleichzeitig nur um 25 000 gestiegen. Die Schlussfolgerung von Gesamtmetall: „Der Osten war mit 38 Wochenstunden wesentlich erfolgreicher als der Westen mit 35.“

70 000 Arbeitsplätze gefährdet

Die aktuelle Lage der Metallindustrie beschrieb Kannegiesser mit den Worten: „Wir fahren einen Zitterkurs“. Ende vergangenen Jahres sei die Produktion zurückgefallen und der Auftragseingang um drei Prozent gesunken. „Die im Aufschwung des Jahres 2000 neu geschaffenen 100 000 Arbeitsplätze sind wieder verloren gegangen“, sagte Kannegiesser. In diesem Jahr befürchte er den Verlust bis zu 70000 Arbeitsplätzen; auch deshalb, weil die Arbeitszeitguthaben weitgehend verbraucht seien.

Da die Metallindustrie rund 60 Prozent ihrer Produkte exportiere, belaste der in den vergangenen Monaten stark gestiegene Euro das Geschäft. In den letzten Jahren sei der schwache Euro immerhin „eine Hilfe von zehn bis 15 Prozent im Preiswettbewerb“ gewesen. Dieser „geliehene Hilfsmotor fällt aus, der eigene Antrieb muss sich nun als ausreichen stark erweisen“, sagte der Arbeitgeberpräsident.

Mit Kritik an der Bundesregierung hielt sich Kannegiesser auffallend zurück. Die schwache Investitionstätigkeit erklärte er mit mangelndem Zukunfstvertrauen der Investoren, ihrer kümmerlichen Ertragskraft und den bescheidenen Finanzierungsmöglichkeiten. Die entscheidende Größe für die Wettbwerbsfähigkeit der Metall- und Elektroindustrie sei indes deren Innovationskraft. Diese wiederum könne „erstickt oder erschwert“ werden, „wenn das soziale, wirtschaftliche und politische Umfeld unwirtlich ist“. Die Kritik der Gewerkschaften an den Ausbildungsaktivitäten der Unternehmen nahm Kannegiesser nicht an. Die Metallfirmen könnten sogar nicht alle angebotenen Lehrstellen besetzen.

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