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Wirtschaft: Ost-West-Konflikt um die Leipziger VNG

Leipziger Ferngasgesellschaft vielfach begehrt

Berlin - Unter den Gesellschaftern des Leipziger Ferngasunternehmens Verbundnetz Gas (VNG), das auch zu den Lieferanten der Berliner Gasag zählt, bahnt sich eine Auseinandersetzung um die langfristige unternehmerische Führung an. Nach Informationen des Tagesspiegels hat VNG-Vorstandschef Ewald Holst ein Abwehr-Bündnis gegen die Übernahme-Gelüste des vom ehemaligen Energieverbandspräsidenten Werner Brinker geführten Oldenburger Versorgers EWE geschmiedet. Danach ist BASF mit seiner Tochter Wintershall bereit, zusammen mit der ebenfalls überaus liquiden russischen Gasprom ins Bieterrennen um eventuell frei werdende VNG-Anteile einzusteigen. Zusammen halten BASF/Wintershall und Gasprom derzeit bereits 21,5 Prozent der VNG-Anteile. Die EWE dagegen kommt auf 47,9 Prozent. Weitere 25,79 Prozent liegen bei zwölf ostdeutschen Kommunen.

EWE bemüht sich seit längerem darum, einzelne Städte aus dem kommunalen Bündnis herauszubrechen und deren Anteile zu übernehmen. Einen ersten Vorvertrag hat Brinker bereits mit Jena abgeschlossen. Allerdings wackelt dieser Deal, denn die Kommunen haben sich untereinander auf ein Vorkaufsrecht verständigt, so dass Jena die Übertragung seiner VNG-Aktien an die Oldenburger nicht ohne das Einverständnis der anderen Kommunen hätte zusagen dürfen. Die haben daher Klage gegen den Vorvertrag eingereicht, über die am 17. September verhandelt werden soll.

Das Verhältnis der ostdeutschen Anteilseigner zu EWE gilt seit anderthalb Jahren als zerrüttet. Seinerzeit kippten sie gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern EWE-Chef Brinker aus dem Amt des VNG-Aufsichtsratsvorsitzenden. Anlass war eine mit der VNG nicht abgesprochene Bewerbung der Oldenburger um die seinerzeit ausgeschriebenen Anteile der Stadtwerke Leipzig, für die sich VNG ebenfalls interessierte. Doch das Zerwürfnis reicht noch tiefer. Sowohl der VNG-Vorstand als auch die ostdeutschen Anteilseigner werfen den Oldenburgern vor, grundsätzliche Zusagen nicht eingehalten zu haben, die der EWE beim Erwerb ihrer VNG-Beteiligung auferlegt wurden.

Ursprünglich lag die EWE-Beteiligung an dem Leipziger Unternehmen bei der Essener Ruhrgas. Die indes musste sich bei ihrer Übernahme durch den Eon-Konzern von diesen Anteilen trennen. EWE erhielt den Zuschlag für das Aktienpaket nur unter der Bedingung, dass alle Anstrengungen zur Entwicklung des Leipziger Unternehmens zu einem mittelfristig mit der Ruhrgas konkurrenzfähigen Ferngashändler mit Sitz in Ostdeutschland unternommen werden. Dazu war die EWE, die den Beteiligungszukauf im Wesentlichen auf Kreditbasis finanziert hatte, finanziell aber nicht in der Lage. In einem Gutachten stellte Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) fest, dass die EWE nahezu alle Auflagen zur Entwicklung der VNG ignoriert habe. Den EWE-Versuch, über den Erwerb einiger weniger kommunaler Anteile die bestimmende Mehrheit von mehr als 50 Prozent bei der VNG zu erlangen, werten Holst und das Gros der ostdeutschen Anteilseigner denn auch als schlichte Einverleibungsaktion, die eine eigenständige Entwicklung der VNG völlig unterminiere.

Um so unruhiger wurden sie, als mit der baden-württembergischen EnBW ein ebenfalls am Gas-Geschäft der VNG interessiertes Unternehmen bei der Oldenburger EWE einstieg. Damit nämlich verfügte Brinker plötzlich über eine so starke Finanzausstattung, dass er über extrem hohe Kaufgebote außer Jena auch andere kommunale VNG-Anteilseigner zur Abgabe ihrer Beteiligungen hätte bewegen können.

Hier soll nun das von Holst geschmiedete Abwehrbündnis gegenhalten. Während sich BASF/Wintershall zu der Angelegenheit bislang noch bedeckt hält, bestätigten Gasprom-Kreise das Zweckbündnis. Gasprom ist bereits in einer langjährigen Kooperation mit der BASF verbunden und an der BASF-Gastochter Wingas mit knapp 50 Prozent beteiligt. Im Gegenzug hatten die Russen dem BASF-Konzern eine direkte Beteiligung an einer der großen sibirischen Gas-Lagerstätten eingeräumt.

Wie verlautet, genießt die Holst-Initiative die Unterstützung der ostdeutschen Ministerpräsidenten, die es gern sähen, wenn ein auch international wettbewerbsfähiger Konzern mit seiner Zentrale dauerhaft in den neuen Ländern beheimatet wäre. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde in vollem Umfang unterrichtet.

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