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Wirtschaft: Ostbetriebe gegen Westfirmen:

Die Bauwirtschaft steckt in einer tiefen Strukturkrise. Beflügelt vom Bauboom nach der Wiedervereinigung bauten die Bauunternehmen enorme Kapazitäten an Mitarbeitern und Material auf, die jetzt wieder abgebaut werden müssen.

Die Bauwirtschaft steckt in einer tiefen Strukturkrise. Beflügelt vom Bauboom nach der Wiedervereinigung bauten die Bauunternehmen enorme Kapazitäten an Mitarbeitern und Material auf, die jetzt wieder abgebaut werden müssen. So sank die Zahl der Bauarbeiter in Deutschland von über 1,5 Millionen 1995 auf aktuell nur noch 850 000 – ein Rückgang um über 40 Prozent. Ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht. Auch im laufenden Jahr müssen wegen der geringen Nachfrage weitere Arbeitsplätze wegfallen, schätzt der Bauhauptverband.

Die desolate Lage der Bauindustrie hat den Tarifparteien in den vergangenen Jahren kaum Spielraum für Lohnsteigerungen gelassen. In Westdeutschland beträgt der durchschnittliche Tarifstundenlohn 13,98 Euro für Facharbeiter. Nicht gelernte Bauarbeiter bekommen den Mindestlohn von 9,80 garantiert. Häufig werden die Arbeiter im Westen bei einiger Erfahrung in höhere Lohngruppen einsortiert. Ein Luxus, den sich die meisten ostdeutschen Betriebe nicht leisten können. Viele Ostbetriebe stufen Facharbeiter in niedrigere Lohngrupen ein, um Lohnkosten zu sparen. Der Durchschnittstariflohn liegt in den neuen Ländern bei 12,77 Euro. Hilfsarbeiter bekommen dagegen meist nur den Mindestlohn von 8,63 Euro. Kein Geheimnis ist, dass in den neuen Ländern viele Baubetriebe nicht mal den Mindestlohn zahlen. „Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit sind aber viele Arbeiter im Osten bereit, für weniger Geld zu arbeiten“, sagt Brigitte Lohse, Bauexpertin beim Institut für Wirtschaftsforschung Halle.

Die Lohndifferenz nutzen die Ostbetriebe, um ihre westdeutschen Kollegen bei Aufträgen zu unterbieten. Den Westunternehmen sind die niedrigeren Löhne im Osten daher ein Dorn im Auge. Die Tarifverhandlungen waren an der Weigerung der Ostbetriebe gescheitert, den Mindestlohn im Osten zu erhöhen, weil sie ihren Wettbewerbsvorteil nicht verlieren wollen. Inzwischen zeichnet sich im Arbeitgeberlager die Bereitschaft ab, den Mindestlohn Ost doch zu erhöhen.

Ein Streik in der Bauwirtschaft könnte das gesamte Tarifgefüge der Branche in Gefahr bringen, fürchten die Arbeitgeber. Sollten im Zuge des Streiks viele Bauunternehmen aus den Arbeitgeberverbänden austreten, verlören die Tarifverträge ihre Allgemeingültigkeit. Dann bräuchten sich die Betriebe nicht mal mehr an den Mindestlohn zu halten. Bei der hohen Arbeitslosigkeit am Bau würde eine Lohnspirale nach unten einsetzen und die Preise für Bauarbeiten weiter sinken. Das wäre gut für die Auftraggeber von Bauleistungen aber schlecht für die Baufirmen, die kaum noch profitabel arbeiten könnten.

Dass die Befürchtungen nicht ganz unbegründet sind, zeigt eine Untersuchung des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung. Danach waren im Westen im Jahr 2001 nur noch 66 Prozent der Bauunternehmen in einem Arbeitgeberverband, in Ostdeutschland nur 38 Prozent. Sind in Gesamtdeutschland weniger als 50 Prozent der Baubetriebe organisiert, bricht das System aus Tarif- und Mindestlöhnen zusammen. Maurice Shahd

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