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Wirtschaft: Osteuropäer müssen draußen bleiben

Bundesregierung will Arbeitnehmer aus den neuen EU-Staaten weiter nur unter Auflagen ins Land lassen

Berlin - Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) will den Arbeitsmarkt weiter vor Billiglohnkonkurrenz aus den osteuropäischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union schützen. Das Bundeskabinett soll dazu am Mittwoch die bestehende Einschränkung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern – ausgenommen sind Malta und Zypern – bis April 2009 verlängern. Bürger aus Polen, Tschechien, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Slowenien und der Slowakei dürfen demnach nur mit einer Arbeitserlaubnis in Deutschland tätig werden.

Die Opposition und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisierten Münteferings Pläne. „Deutschland verspielt damit Chancen auf den Märkten Mittel- und Osteuropas“, sagte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun. Ähnlich sieht das auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. „Die Freizügigkeit ist keine Einbahnstraße, denn im Gegenzug wenden die betroffenen Länder die gleichen Restriktionen gegen deutsche Arbeitnehmer an“, sagte er dem Tagesspiegel. Hierzulande werde dadurch gerade kleinen und mittleren Firmen die Chance genommen, neue Märkte zu erschließen.

So benötigen beispielsweise Deutsche, die in Polen arbeiten wollen, eine Arbeitserlaubnis. Die polnische Regierung prüft derzeit, ob sie diese Einschränkung, die für alle Staaten gilt, die ihren Arbeitsmarkt für polnische Arbeitskräfte sperren, verlängern wird. „Deutschland schadet vor allem sich selbst“, sagte Jozef Olszynski, Gesandter der polnischen Botschaft, dem Tagesspiegel. Olszynski verwies auf das Beispiel Großbritannien. Dort gibt es, ebenso wie in Schweden und Irland, keinerlei Beschränkungen für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Staaten. „100 000 junge, gut ausgebildete Polen haben in den letzten zwei Jahren über eine Milliarde britische Pfund Steuern und Sozialabgaben bezahlt“, sagte der Diplomat. „Die arbeiten wie verrückt – und die Besten sind schon weg“, sagte er in Anspielung auf das hohe Ausbildungsniveau der Arbeitskräfte, die „keinem Einheimischen einen Arbeitsplatz wegnehmen“. Zudem verweigere sich Deutschland mit seiner Haltung einem zentralen Element des EU-Binnenmarktes.

Auch eine Studie der EU kommt zu dem Schluss, dass Billigarbeitskräfte aus Osteuropa keine Gefahr für den Arbeitsmarkt der alten Mitgliedsländer seien. Doch die deutsche Regierung beurteilt das anders. Bei der EU-Erweiterung 2004 hatte sich Deutschland vorbehalten, den Zugang zum Arbeitsmarkt bis zu sieben Jahre einzuschränken. Dafür wurden Zeitabschnitte von zwei, drei und zwei Jahren (2+3+2-Regelung) festgelegt. Nun, nach Ablauf der ersten zwei Jahre, will das Kabinett eine Mitteilung an die EU-Kommission beschließen, dass die Zugangsbeschränkungen bis 2009 verlängert werden. Müntefering begründet das mit der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland.

Ein Argument, das der DIHK nicht gelten lässt. Trotz fünf Millionen Arbeitsloser könnte derzeit jeder sechste Betrieb offene Stellen nicht besetzen, heißt es in einem Positionspapier. Besonders groß sei der Arbeitskräftemangel in der pharmazeutischen Industrie sowie dem Maschinen- und Fahrzeugbau. Der DIHK fordert daher, diese Engpässe mit Fachkräften aus den mitteleuropäischen Nachbarländern schnell und unbürokratisch zu besetzen.

S. Bickerich, D.Rosenfeld

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