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Wirtschaft: Ostsee-Kooperation braucht neue Impulse

Unternehmer fordern beim Gipfel der Regierungschefs in Riga klare Gesetze, bessere Infrastruktur und eine FreihandelszoneVON REINHOLD VETTER, WARSCHAUIn Kreisen der Wirtschaft herrscht ein gewisser Unmut über den schleppenden Fortgang der politischen Kooperation unter den Anrainerstaaten der Ostsee.Dieser Unmut äußerte sich gerade jetzt im Vorfeld des zweiten Ostsee-Gipfels, der gestern abend in der lettischen Hauptstadt Riga mit einem Kaminabend begonnen hat.

Unternehmer fordern beim Gipfel der Regierungschefs in Riga klare Gesetze, bessere Infrastruktur und eine FreihandelszoneVON REINHOLD VETTER, WARSCHAU

In Kreisen der Wirtschaft herrscht ein gewisser Unmut über den schleppenden Fortgang der politischen Kooperation unter den Anrainerstaaten der Ostsee.Dieser Unmut äußerte sich gerade jetzt im Vorfeld des zweiten Ostsee-Gipfels, der gestern abend in der lettischen Hauptstadt Riga mit einem Kaminabend begonnen hat.An der Konferenz nehmen die Regierungschefs der skandinavischen Staaten, Islands, Deutschlands, Polens, der baltischen Republiken und Rußlands sowie die Präsidenten der Brüsseler EU-Kommission und des Europäischen Rates teil.In der Diskussion dürfte es wesentlich darum gehen, wie bessere Handelsbeziehungen erreicht werden können. Die Industrie hat sich auf das Treffen der Regierungschefs vorbereitet.So verabschiedete der "Baltic Sea Business Summit" am vergangenen Montag in Stockholm auf Initiative des schwedischen Industriellen Peter Wallenberg einen Forderungskatalog, der dem Gipfel in Riga vorgelegt werden soll.An dem Treffen nahmen unter anderem Vertreter der Vorstände von Ericsson, ABB, Enso, Danisco, Volvo, Statoil, Lufthansa und Preußen Elektra teil.Übereinstimmend hieß es dort, nur wenn die Infrastruktur im Ostseeraum sowie die nationalen und internationalen rechtlichen Regelungen verbessert würden, könne man dem Wachstumspotential dieser Region gerecht werden. Gefordert werden insbesondere die Einrichtung einer Freihandelszone der Ostsee-Anrainer, ein dichteres und effektiveres Transportnetz, präzisere Besitzstandsregeln sowie eine klarere Steuergesetzgebung in bestimmten Reformstaaten.Von der EU wird verlangt, daß sie den Visumzwang für Bürger aus den baltischen Staaten abschafft, wie dies die nordeuropäischen Länder bereits getan hätten.Dem Beispiel Rußlands folgend, so heißt es weiter, sollten auch in anderen Reformstaaten international besetzte Expertengremien geschaffen werden, die bei der Modernisierung insbesondere des Rechtsrahmens für den jeweiligen Volkswirtschaften helfen könnten. Wallenberg und andere Teilnehmer des "Baltic Sea Business Summit" reisen selbst nach Riga, um den Forderungskatalog vorzustellen.Als Beweis dafür, daß die politische Kooperation im Ostseeraum von einzelnen Staaten nicht mit dem nötigen Nachdruck vorangetrieben wird, sieht man in Wirtschaftskreisen auch die mehrmalige Verschiebung des jetzt stattfindenden Gipfels, der schon für den Sommer vergangenen Jahres geplant war.Rußland, so heißt es, habe sich hinter "Terminschwierigkeiten" verschanzt, um die Einbindung der baltischen Staaten in westlich ausgerichtete Strukturen zu bremsen.Die Bundesregierung habe zu stark auf Moskauer Empfindlichkeiten Rücksicht genommen.Auch jetzt war in Bonn zu hören, der Kanzler "habe keine große Lust", nach Riga zu fahren. Dabei sind es beileibe nicht nur Groß-Industrielle, die an Verbesserungen interessiert sind und sich bemühen, Druck auf die Politiker auszuüben.Schon seit Jahren kommen sehr viele konkrete Vorschläge von den Industrie- und Handelskammern, die in der "Baltic Sea Chambers of Commerce Association" zusammengeschlossen sind.Auch sie verweisen darauf, daß der Ostseeraum mit seinen etwa 100 Mill.Einwohnern bei richtiger Weichenstellung zu einer der wichtigsten europäischen Wachstumsregion werden könnte. Nach alldem, was bislang aus den betreffenden Hauptstädten zu hören war, werden sich die Regierungschefs in der Abschlußerklärung des Rigaer Gipfels nur sehr allgemein zu den Perspektiven der Zusammenarbeit äußern.Das gilt auch für die Intensivierung der Investitionstätigkeit, den Ausbau und die Modernisierung der Transportverbindungen sowie die Kooperation in der Energieversorgung.Bemühungen der baltischen Staaten und Rußlands für einen Beitritt zu OECD und WTO will man unterstützen.Ein zweiter Schwerpunkt der Beratungen dürfte die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung insbesondere in den Reformstaaten sein. In Wirtschaftskreisen wird aufmerksam registriert, daß gerade die Vereinigten Staaten ihr Engagement im Ostseeraum verstärkt haben, wie insbesondere die jüngste Unterzeichnung der Baltic-American-Charta in Washington beweist.Ein Schwerpunkt des Dokuments ist die ökonomische Kooperation zwischen den baltischen Staaten und den westlichen Industriestaaten.Wallenberg und andere hoffen, daß dieses Engagement auf die Ostsee-Kooperation abfärbt.

REINHOLD VETTER[WARSCHAU]

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