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Pipeline

© dpa

Ostsee-Pipeline: "Europas bestes Frostschutzmittel"

Deutsche und russische Politiker begrüßen den Baubeginn der Ostsee-Pipeline. Doch Ängste bleiben.

Berlin - Dieses Energieprojekt ist derart emotional aufgeladen, politisch hochbrisant, da kommt es auf jede noch so kleine Geste der Akteure an: Staatspräsident Dmitri Medwedew schnappte sich einen weißen Lackstift, schrieb auf Russisch „viel Glück“ auf eine der 1,40 Meter breiten Röhren, drehte sich um und zwinkerte den Fotografen zu. War er geblendet vom Sonnenlicht? Oder war es eine Botschaft an seine Landsleute: Jetzt haben wir die Deutschen an der kurzen Leine? Wahrscheinlich war es nur Ausdruck seiner guten Laune, aber auch mit dem Festakt zum Baustart der Ostseepipeline sind noch nicht alle Ängste vor der russischen Dominanz ausgeräumt.

Der gestrige Freitag war aber zunächst die Stunde der Bauherren: Medwedew sagte, dass die Gasleitung nach Deutschland Europa Energiesicherheit zu „angemessenen und zumutbaren Preisen“ bringen werde. Deutschlands Altkanzler Gerhard Schröder, der Aufsichtsratschef des Pipeline-Konsortiums Nord Stream ist und das Projekt mit Medwedews Amtsvorgänger Wladimir Putin vor gut fünf Jahren angestoßen hatte, trat Befürchtungen entgegen, das Projekt diene nur deutschen und russischen Interessen: „Die Gaspipeline wird die Energieversorgung ganz Europas sicherer machen.“ Sie versorge 26 Millionen Haushalte in sieben europäischen Staaten, betonte Schröder.

Pünktlich zum Beginn der Heizsaison soll das erste in Sibirien geförderte Erdgas über die 1224 Kilometer lange Pipeline vom russischen Wyborg an der finnischen Grenze durch die Ostsee hindurch bis nach Lubmin bei Greifswald bringen. Ab 2012 soll die Kapazität der Leitung durch einen parallel verlaufenden Strang auf 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr verdoppelt werden. Damit hätte die Nord-Stream-Pipeline deutlich mehr Kapazität als die von EU-Staaten geplante Nabucco-Pipeline, die Gas vom Kaspischen Meer vorbei am russischen Einflussbereich nach Österreich transportieren soll. Diese Leitung soll einmal rund 31 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr transportieren können. Dass sie jemals gebaut wird, ist durch den gestrigen Feiertag aber nicht gerade wahrscheinlicher geworden. Für Nabucco engagiert sich unter anderem Schröders ehemaliger Weggefährte, der Grünen-Politiker Joschka Fischer.

Doch von ihm oder anderen Kritikern war am Freitag nichts zu hören. Selbst der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, begrüßte den Bau der deutsch-russischen Pipeline im Prinzip als „ein Stück mehr Versorgungssicherheit“. Eine weitere Pipeline alleine könne „unsere Probleme nicht lösen, da müssten andere hinzukommen“, sagte Trittin dem MDR. „Deutschland darf sich nicht vollständig von einem Lieferanten abhängig machen“, fügte er hinzu.

Abhängigkeit von dem Staat, der mit seinen Rohstoffen regelmäßig Druck auf seine Nachbarn ausübte – davor warnen die meisten Nord-Stream-Kritiker, weshalb die EU Nabucco vorantreiben will. Doch auch der neue EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU), der zum Festakt nach Wyborg gereist war, hielt sich mit Kritik zurück. Der Gaslieferant Russland sei „fester Bestandteil“ auf dem europäischen Energiemarkt, sagte Oettinger und dass jede weitere Pipeline die Energiesicherheit noch erhöhen könne.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schickte eine Videoboschaft zum Fest, in der sie sagte: „Für Europa ist dies ein wichtiger Beitrag zur Gasversorgungssicherheit“. Es würde sie freuen, wenn der Bau auch andere Unternehmen ermuntere, in ähnliche Projekte zu investieren. Wintershall-Chef Rainer Seele, dessen Unternehmen am Bau beteiligt ist, drückte es weniger staatstragend, aber bildlich aus. Er bezeichnete die Ostsee-Pipeline als „Europas bestes Frostschutzmittel“. Seele spielte auf die Streitigkeiten Russlands mit der Ukraine an, durch die der russische Monopolist Gasprom rund 80 Prozent des Gases für den Westen pumpt: „Bei Transitstreits und politischen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt kann diese Pipeline die Lage nachhaltig stabilisieren.“

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