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© dpa

Ostseepipeline: Abkürzung durchs Meer

Mit dem heutigen Festakt an Russlands Küste zum Baubeginn der Ostseepipeline kommt Bewegung in den festgefahrenen Gasmarkt in ganz Europa.

Als am Dienstagabend im Kreml das Telefon klingelte, war es eigentlich noch zu früh. Offenbar konnte es Gazprom-Chef Alexej Miller kaum erwarten, seinem Chef, Staatspräsident Dmitri Medwedew, die Meldung zu machen: Der Bau der Ostseepipeline hat begonnen. Am gestrigen Donnerstag räumte ein Sprecher des Pipelinebetreibers Nord Stream ein: War alles nur ein Test. Erst am Freitagmorgen dürfte ein Spezialschiff das erste 24 Meter lange Teilstück, durch das ab Herbst 2011 Erdgas von Russland nach Greifswald strömen soll, bei der schwedischen Insel Gotland in der Ostsee versenkt werden.

Wenig später gibt es nahe der russischen Hafenstadt Wyborg einen Festakt: Medwedew wird sprechen, auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), der den Pipelinebau als Aufsichtsratsvorsitzender des Konsortiums vorangetrieben hat. Von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll nur eine Videobotschaft abgespielt werden. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) will sich dagegen persönlich in Wyborg blicken lassen – obwohl er qua Amt die geplante Nabucco-Pipeline unterstützt, mit der die EU, vorbei am russischen Einflussbereich, Gas aus dem kaspischen Raum über die Türkei nach Mitteleuropa transportieren will.

Politiker stehen bei dem Fest im Vordergrund, nicht die Chefs der Energiekonzerne und Banker, die den maßgeblichen Teil der 7,4 Milliarden Euro Projektkosten bereitstellen. Denn ohne die Politik, ohne laute und stille Diplomatie, könnte Nord Stream, von dem sich viele eine höhere Versorgungssicherheit versprechen, nicht geben.

Dass es doch dazu kommt, ist zunächst ein Erfolg für Russland und besonders für Premier Wladimir Putin. Er hatte das Projekt gleich zu Beginn seiner achtjährigen Amtszeit als Präsident auf den Weg gebracht, energisch vorangetrieben und auch nach seiner Ernennung zum Premierminister im Mai 2008 als Chefsache verfolgt – gegen die Widerstände der baltischen Staaten, Finnlands, Polens und vor allem der Ukraine.

Russland will Vormachtstellung in Deutschland weiter ausbauen

Durch letztgenanntes Land muss Russland heute bis zu 80 Prozent seines Gases für Westeuropa pumpen. Dabei kam es in den vergangenen Wintern zu heftigen Streitigkeiten um Preise für jenes Gas, dass die Ukraine für den Eigenbedarf abzweigt. Dabei gab es mehrfach Unterbrechungen der Lieferungen in EU-Staaten. Und noch ist keineswegs ausgemacht, ob das Problem nach der Wahl von Viktor Janukowitsch zum neuen Präsidenten der Ukraine vom Tisch ist. Dieser gilt zwar als moskaufreundlich, macht jedoch bereits deutlich, dass auch er beim Thema Gas Nachverhandlungsbedarf sieht. Russlands Verhandlungsposition ist mit dem heutigen Tag aber gestärkt.

Russland dürfte mit Nord Stream auch seinen Anteil als größter deutscher Gaslieferant wieder ausbauen. Der war von 37 Prozent (2008) auf 32 Prozent (2009) gefallen. Die Norweger lieferten mehr. Grundsätzlich dürfte zudem der Anteil des Rohstoffes Gas am gesamten Energieverbrauch der EU weiter steigen – von derzeit 26 Prozent auf mehr als 30 Prozent im Jahr 2030, wie prognostiziert wird. Ein Grund dafür ist, dass Gas weniger klimaschädlich zu Strom verfeuert werden kann als Kohle.

Das Konsortium war zuletzt bemüht, alles aus dem Weg zu räumen, was den heutigen Festakt und die Arbeiten der kommenden Monate stören könnte. So nahm Nord Stream am Donnerstag auch einigen Kritikern etwas Wind aus den Segeln. Umweltschützer fürchten um Flora und Fauna im ökologisch sensiblen Greifswalder Bodden und die Bundeswehr um die Sicherheit in einem Munitionsübungsgebiet in der Nähe der geplanten Trasse. Ergebnis: Nord Stream wird die Rohre jetzt auf 47 statt 20 Kilometern im Seeboden vergraben. Das kostet etwas mehr, „fällt bei der Gesamtsumme aber nicht ins Gewicht“, wie ein Sprecher sagte.

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