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Wirtschaft: Paris sucht Ausweg aus der Defizitfalle

Frankreich und Deutschland werden 2004 zum dritten Mal in Folge gegen den Stabilitätspakt verstoßen

Berlin/Brüssel (fo/Tsp). Deutschland und Frankreich werden im laufenden und im kommenden Jahr gegen die Regeln des Stabilitätspaktes verstoßen und eine Neuverschuldung von 3,7 bis 3,8 Prozent des Bruttosozialprodukts vorweisen. Frankreichs Premierminister JeanPierre Raffarin versuchte deshalb am Mittwoch in Brüssel, bei Kommissionspräsident Romano Prodi um Nachsicht zu werben. Sein Vorschlag: Forschungs- und Verteidigungsausgaben sollten künftig nicht mehr bei der Defizitberechnung berücksichtigt werden.

Nach übereinstimmenden Medienberichten erwartet Paris 3,9 (2003) und 3,7 (2004) Prozent Defizit. Raffarin sagte am Mittwoch in Brüssel nur, für eine Schätzung sei es jetzt noch zu früh: „Im September werden wir neue Zahlen haben.“ In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sei die Etatlage wegen der schwachen Konjunktur schwierig gewesen. Auch der deutsche Finanzminister Hans Eichel (SPD) kämpft mit der schwachen Konjunktur. Informationen, dass Eichel am Wochenende 3,8 Prozent Defizit nach Brüssel melden wird, kommentierte ein Sprecher des Finanzministeriums als „reine Spekulation“. Die erforderlichen Daten würden noch zusammengetragen, hieß es nur.

Allerdings geht auch der Internationale Währungsfonds (IWF) davon aus, dass die deutsche Neuverschuldung deutlich über der Drei-Prozent-Hürde des Maastrichtvertrages liegen wird. Für dieses und das kommende Jahr erwartet der IWF 3,9 Prozent Verschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das geht aus einem Entwurf des IWF-Weltwirtschaftsberichts hervor, der im September veröffentlicht wird und teilweise schon jetzt bekannt wurde. Sowohl Deutschland als auch Frankreich würden 2004 im dritten Jahr in Folge die Maastricht-Grenze von drei Prozent überschreiten.

Die Mitgliedsländer der Währungsunion müssen zwei Mal im Jahr Währungskommissar Pedro Solbes berichten, wie sie die Entwicklung ihrer nationalen Haushalte einschätzen. Ende August sollen die Zahlen in Brüssel vorliegen. Im vergangenen Jahr hatte Eichel eine Schonfrist, weil die finanziellen Folgen der Flut nicht absehbar waren.

Im Bundesfinanzministerium wird nach wie vor davon ausgegangen, dass die Bundesregierung für 2003 und 2004 die Maastricht-Kriterien einhalten kann. Das hatte ein Ministeriumssprecher bereits vor Tagen versichert, als Spekulationen über das Haushaltsdefizit aufkamen. „Voraussetzung bleibt, dass die von der Regierung geplanten Reformvorhaben umgesetzt werden und sich die Konjunkturprognosen der Regierung erfüllen", hieß es aber einschränkend.

Hintergrund ist die anhaltende Wachstumsschwäche der Wirtschaft. Für dieses Jahr rechnen die IWF-Experten mit einem Nullwachstum, für 2004 weiterhin mit einem Wachstum von 1,5 Prozent. Die Bundesregierung geht in ihrer Konjunkturprognose noch von einem Zuwachs um 0,75 Prozent für 2003 aus, im nächsten Jahr erwartet sie ein Wachstum von zwei Prozent. Konjunkturexperten halten die Annahmen der Regierung für illusorisch. Unter ihnen gilt seit Monaten als sicher, dass Deutschland unter anderem wegen der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung auch 2003 mehr neue Schulden machen wird, als nach den Maastricht-Kriterien erlaubt.

Nach den Beratungen mit Prodi sagte Raffarin, zwar erfordere die Zugehörigkeit zur Euro-Zone Haushaltsdisziplin. Dabei solle aber eine gewisse Flexibilität möglich sein. Wachstum und Beschäftigung müssten zu vorrangigen Zielen in der Europäischen Union (EU) gemacht werden, verlangte der Ministerpräsident. Er unterstrich: „Europa wird seine Arbeit machen, die französische Regierung wird ihre Arbeit tun." Raffarin ergänzte: „Meine Verantwortung liegt an erster Stelle darin, alles in meinem Land zu mobilisieren, um das Wachstum anzukurbeln und die Beschäftigung zu fördern." Prodi dagegen unterstrich die Bedeutung der Einhaltung des Stabilitätspakts. „Höhere Defizite und Schulden haben während der Konjunkturflaute in den vergangenen beiden Jahren keinem Land geholfen“, sagte er.

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