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PENDLERPAUSCHALE Der Streit verschärft sich: Volle Fahrt voraus

Bayerns Politiker kämpfen für die Pendler – und riskieren einen Konflikt mit ihren eigenen Parteifreunden

Berlin - Es könnte knapp werden. Vier zu vier soll es stehen, heißt es in Finanzkreisen. Vier Richter des Bundesverfassungsgerichts halten angeblich die geltende Pendlerpauschale für verfassungswidrig und wollen sie aufheben, die andere Hälfte des Zweiten Senats soll anderer Meinung sein. Ob der Flurfunk recht hat, könnte sich an diesem Mittwoch zeigen. Denn dann verhandelt das Gericht erstmals über die Pendlerpauschale. Mit einem Urteil wird zwar erst im Dezember gerechnet, Beobachter erhoffen sich aber bereits durch die Art der Verhandlungsführung Hinweise auf das Votum der Richter.

Zur Erinnerung: Am 1. Januar 2007 setzte die Bundesregierung bei Berufspendlern den Rotstift an. Konnte man bisher jeden Kilometer seines Wegs zur Arbeit mit 30 Cent von der Steuer absetzen, fahren Pendler seit der Reform die ersten 20 Kilometer komplett auf eigene Rechnung. Erst ab dem 21. Kilometer können Arbeitnehmer das Kilometergeld von 30 Cent geltend machen. Bund, Länder und Gemeinden sparen dadurch 2,5 Milliarden Euro im Jahr, die Zeche zahlen die Arbeitnehmer, die zur Arbeit fahren müssen. Rund 15 Millionen Pendler sind von der Kürzung betroffen, sagt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des NVL (Neuer Verband der Lohnsteuerhilfevereine), keine Großverdiener, sondern Arbeitnehmer „überwiegend im unteren und mittleren Einkommensniveau“.

Viele Bürger sind sauer. Sie sehen nicht ein, dass sie für ihren Lohn oder ihr Gehalt Steuern zahlen müssen, die damit verbundenen Fahrtkosten aber bestenfalls zum Teil vom Fiskus zurückbekommen. Auch viele Rechtsexperten haben Zweifel daran, dass diese Regelung verfassungsgemäß ist. Zwar gibt es inzwischen eine bunte Reihe widersprüchlicher Urteile, das höchste deutsche Finanzgericht – der Bundesfinanzhof (BFH) – steht jedoch fest aufseiten der Kritiker. Der BFH hält die neue Pendlerpauschale für verfassungswidrig und hat die Frage daher dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Genauso wie die Finanzgerichte in Niedersachsen und dem Saarland.

Der Streit über die Pendlerpauschale spaltet nicht nur die Justiz, sondern auch die Politik. Im bayerischen Landtagswahlkampf gehört der Ruf nach einer Rückkehr zur alten Ordnung zum festen Repertoire der Wahlkämpfer in den Bierzelten – quer durch alle Parteien. Geschockt durch die schlechten Ergebnisse bei der Kommunalwahl im März will die CSU so Boden bei den Wählern gutmachen. Bei den CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch in Hessen und Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen stoßen die Christsozialen um Parteichef Erwin Huber damit auf offenen Widerstand. Die Christdemokraten wollen keine milliardenschweren Wahlgeschenke finanzieren und stehen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in dieser Frage näher als ihren christsozialen Parteifreunden.

Doch auch die Sozialdemokraten sind sich keinesfalls einig. Während Steinbrück kein Jota von der geltenden Regelung abweichen will, fordert die bayerische SPD eine Totalrevision. Ihr Landesvorsitzender Ludwig Stiegler will über die Forderungen der CSU noch hinausgehen. „Wir wollen, dass die Menschen alle Kosten absetzen können, die mit der Fahrt zur Arbeit verbunden sind“, sagte Stiegler dem Tagesspiegel am Sonntag. Nicht nur der Sprit, sondern auch der Wertverlust des Fahrzeugs sollten vom Fiskus steuermindernd anerkannt werden, fordert der bayerische Politiker, der zugleich stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion ist: „Wir können nicht ein Einkommen besteuern, das die Menschen nicht haben.“

Doch Steinbrück lässt nicht mit sich handeln. Er hält an der Kürzung fest. Sollte ihn das Verfassungsgericht zu einer Rücknahme der Reform zwingen, will Steinbrück an anderer Stelle sparen. Im Gespräch ist eine Senkung des Kilometergelds von 30 auf 25 Cent pro Kilometer und eine Kürzung des Arbeitnehmerpauschbetrags von derzeit 920 Euro um ein Drittel. Bleibt abzuwarten, wie die Verfassungsrichter entscheiden. Übrigens: Bei einem Patt kann die aktuelle Pendlerpauschale weiter bestehen.

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