zum Hauptinhalt
Peter Hartz hat die Reform des Arbeitsmarktes eingeleitet. Noch heute profitiert Deutschland davon, andere Faktoren wie die Lohnzurückhaltung kommen hinzu.

© picture-alliance/ dpa

Peter Hartz ist wieder da: Jetzt kommt Hartz V

Er hat die größte Sozialreform der Bundesrepublik erfunden. Nun will er die Massenarbeitslosigkeit unter jungen Menschen bekämpfen.

„Europatriates“ hat Peter Hartz sein Konzept und den dazugehörigen dreitägigen Kongress in Saarbrücken getauft, bei dem Experten nach Wegen aus der Jugendarbeitslosigkeit in Europa suchen sollen. Der 72-Jährige, der sich nach seinem Ausscheiden aus dem VW-Vorstand lange Zeit zurückgezogen hatte, will nicht länger zuschauen, wie die Europäische Union große Teile der jungen Generation in die Arbeitslosigkeit abgleiten lässt. „Europa ist so reich – und leistet sich über fünf Millionen junge Menschen ohne Job. Das hat uns bewogen, hierauf einen Schwerpunkt zu legen“, sagte Hartz zum Auftakt der Veranstaltung.

Das Konzept sieht in groben Zügen so aus: Jugendliche sollen in einem europäischen Gastland ausgebildet werden, während die Herkunftsländer in der Zwischenzeit neue Jobs für sie schaffen. Die jungen Arbeitskräfte kehren dann mit Berufserfahrung zurück.

Jugend ohne Zukunft. Europaweit sind fünf Millionen junge Menschen ohne Job.
Jugend ohne Zukunft. Europaweit sind fünf Millionen junge Menschen ohne Job.

© AFP

Schirmherr des Projekts ist EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso. Und Hartz präsentiert gleich ein ganzes Instrumentarium, mit dem festgestellt werden soll, für wen es wo in Europa einen Job gibt: Mithilfe einer Talentdiagnostik sollen sich Jugendliche ihrer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen bewusst werden. Parallel dazu haben Forscher im Auftrag von Peter Hartz ein System entwickelt, das den Bedarf an festgelegten Dienstleistungsberufen in einzelnen europäischen Regionen ermittelt.

Das klingt zunächst überzeugend, weil es politisch richtig ist, die Arbeitsmarktpolitik in der EU zu harmonisieren. Gleichzeitig klingt es phantastisch. Für „Europatriates“ müsste ein Riesenrad in Bewegung gesetzt werden, das ein Vielfaches der sechs Milliarden Euro kosten würde, die die EU bisher für diese Aufgabe vorgesehen hat. Hartz rechnet im Schnitt mit 40 000 Euro pro Jugendlichem. Bei gut fünf Millionen Betroffenen kommt er auf die gigantische Summe von 215 Milliarden Euro. In Deutschland seien dabei 14 Milliarden Euro nötig, um die Arbeitslosigkeit der Unter-25-Jährigen zu beseitigen. Im „Europatriates“-Konzept soll das Geld zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit über ein neues Wertpapier eingetrieben werden, auf das Privatleute ebenso einzahlen könnten wie der Staat, der auch die Bürgschaft für das Geld übernehmen müsste. „Das wäre wie Bausparen – nur innovativer“, sagt Hartz. Er fordert die Kreditwirtschaft auf, Fonds aufzulegen. Details sollen auf dem Kongress erörtert werden.

Auch ein Psychologe hat mitgemacht

„Wir investieren dabei nicht nur in die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, sondern darin, dass Europa europäischer wird“, sagte der emeritierte Psychologieprofessor Hilarion Petzold, der an dem Konzept mitgearbeitet hat. Wenn die Gesellschaft die „Intelligenzkapazitäten“ ihrer jungen Leute nicht nutze, entstehe auch ein volkswirtschaftlicher Schaden.

Hartz und seine Mitstreiter haben prominenten Kongressbesuch anwerben können: den EU-Beschäftigungskommissar Laszlo Andor, von der SPD den aus dem Saarland stammenden Justizminister Heiko Maas sowie Arbeitsagentur-Vorstand Frank-Jürgen Weise. EU-Kommissionschef Barroso schickte zum Auftakt eine Videobotschaft. Hartz' möchte, dass die angemeldeten 470 Kongressteilnehmer seine Botschaft weitertragen – zum EU-Ausbildungsgipfel der Staats- und Regierungschefs am 11. Juli in Turin.

Wissend, dass der Name „Hartz IV“ in Teilen der SPD und bei der Linken als Synonym für den Abstieg in die Armut gilt, geht er auf seine Person nur ungern ein. Im europäischen Ausland dagegen gilt die Hartz-IV-Reform mit als Grund dafür, dass Deutschland die Wirtschaftskrise ohne große Kratzer überstanden hat und heute mit niedrigen Arbeitslosenzahlen glänzen kann. Initiator des neuen Programms ist die Stiftung SHS Foundation. Sie wurde von Hartz selbst gegründet. Die Abkürzung steht für „Saarländer helfen Saarländern“. Geht es nach Hartz, hilft sie bald ganz Europa. mit AFP

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false