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Wirtschaft: Peter Hopf

Geb. 1937

Kunstamtsleiter. Mittelmaß verwalten? Büropflanzen gießen? Ach was! Wer schon als Fötus Arien vorgesungen bekommt, als Baby ganze Opernaufführungen erlebt und als kleiner Junge in den Theaterkantinen sitzt, der weiß bald Bescheid: Das Leben besteht aus Himmel und Hölle. Der Krieg bestätigte ihn darin.

Die Hölle, das war das brennende Berlin, das waren die Nächte in den Luftschutzkellern, die Landverschickungen und die bange Frage, ob er seine Eltern je wiedersehen würde.

Der Himmel, das waren die Opernhäuser mit den Kronleuchtern, in denen das Publikum seinem Vater, einem Bariton-Sänger, applaudierte. In schönster Erinnerung hatte er die Reisen nach Frankreich und die Gäste zu Hause am Esstisch, Brecht, Weill, Grosz.

„Du musst zum Theater!“, sagte sein Vater. Peter gehorchte, studierte Bühnenbild und arbeitete einige Jahre lang als freier Bühnenbildner.

Auch dieses Leben teilte sich in Himmel und Hölle. Die Premiere war der Tag des jüngsten Gerichts. Hier entschied sich, ob er sich in die Reihe der Versager zu stellen hatte oder aufgenommen wurde in den Olymp.

Als die beglückenden Momente seltener wurden, begann er zu grübeln. Hätte er doch Kunst studiert, wäre er doch Schauspieler geworden oder besser noch Dirigent. Weil er aber nicht noch einmal von vorne beginnen wollte und sich nach finanzieller Sicherheit sehnte, nahm er den Job als Kunstamtsleiter Wedding an.

Und jetzt? Das Drama beenden, Mittelmaß verwalten, die Bezirkskünstler ausstellen und Büropflanzen gießen? Ach was! Er war gekommen, um einen Tempel zu bauen, jawohl. Und welcher Bezirk hatte es nötiger als dieser gottlose Wedding! Die Zeit war günstig, die Kultursubvention sprudelte. Er war jetzt zuständig für den Spielplan der Freilichtbühne Rehberge, für Lesungen und das musikalische Programm.

Seine größte Leidenschaft aber galt den Ausstellungen. Er übernahm Wanderausstellungen, veranstaltete eigene. Besonders hatten es ihm die Künstler der zwanziger Jahre angetan, und nicht nur die Stars wie Otto Dix oder Max Pechstein. Peter Hopf zeigte Maler wie Arthur Segal oder Walter Kampmann zum ersten Mal seit den Dreißiger Jahren wieder in Berlin. In Wedding!

Von seinen Helfern verlangte er, dass sie so arbeiteten wie die Dringlichkeit der Mission es erforderte. Er selbst nahm ja auch nie Urlaub. „Als ich nach 20 Jahren aufgehört habe, hatte ich so viele Überstunden angehäuft, dass die mir die Hälfte gar nicht bezahlen konnten“, seufzt seine Sekretärin.

Liefen die Ausstellungen gut, dann war er im Himmel. Er strahlte, lud die Mitarbeiter zum Essen ein, half dem Handwerker Kabel zu verlegen oder Glühbirnen einzuschrauben, erzählte Anekdoten, in denen er auch gerne selbst gut wegkam. Blieb die Anerkennung aus, stürzte er ab. Er bekam Migräne und sprach mit niemandem. Wenn Freunde zu ihm durchdrangen, sahen sie ihn weinen.

Er hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass der Wedding nicht länger nur ein Wort in den Polizeinachrichten oder Arbeitslosenstatistiken war, sondern auch auf den Kulturseiten einen Platz bekam. Damit das alle noch einmal mitbekamen, veranstaltete er zum Ende seiner Dienstzeit vor vier Jahren eine „Adieu-Gala“: Peter Hopf stand auf der Bühne am Fuße einer Leiter, über ihm der Mond. Er las aus Henry Millers Buch vom Clown, der den Menschen nicht nur Unterhaltung, sondern Glückseligkeit schenken möchte.

Peter Hopf suchte sein Glück von nun an auf Mallorca. Seine Liebste lebte hier, eine Spanierin. Nun wollte er selbst wieder als Künstler arbeiten, und diese Aussicht machte ihn fröhlich. Er kaufte seiner Freundin die kitschigsten Osterhasen der Insel, zitierte Shakespeare ganz im Habitus der alten Engländer, dirigierte im Wohnzimmer die Berliner Philharmoniker. Aber der Krebs beendete die schöne Zeit abrupt. „Jetzt bin ich müde. Ich will nun schlafen“, waren seine letzten Worte.

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