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Wirtschaft: Pharma-und Chemiekonzerne: Bloß keine Überraschungen

Wenn an der Spitze eines deutschen Pharma-oder Chemiekonzerns ein Wechsel ansteht, dann scheint vor allem eines wichtig zu sein: bloß keine Überraschungen. Egal, ob bei Schering, Bayer oder BASF, die Nachfolger an der Spitze kennen das Unternehmen seit Jahrzehnten.

Wenn an der Spitze eines deutschen Pharma-oder Chemiekonzerns ein Wechsel ansteht, dann scheint vor allem eines wichtig zu sein: bloß keine Überraschungen. Egal, ob bei Schering, Bayer oder BASF, die Nachfolger an der Spitze kennen das Unternehmen seit Jahrzehnten. Wie ihre Vor- und Vorvorgänger haben sie sich Stufe für Stufe auf der internen Karriereleiter hochgedient und das Wohlwollen von Vorstand und Aufsichtsrat mühsam erarbeitet. Das Risiko, dass der Wechsel an der Spitze zu einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang wird, ist dadurch gleich null. Aber ob Traditionsbewusstsein und Unbeweglichkeit die beste Strategie ist, einen Konzern im globalen Zeitalter zu führen?

Der neue Schering-Chef Hubertus Erlen, der in der vergangenen Woche an die Spitze des Berliner Pharma-Konzerns rückte, steht seit 1972 im Dienst des Unternehmens. Sein Vorgänger Giuseppe Vita hatte wie Bayer-Chef Manfred Schneider 25 Jahre Konzernluft inhaliert, bevor er an die Spitze rückte. Auch BASF-Chef Jürgen Strube brachte schon 21 Jahre Konzernerfahrung mit, als er 1990 sein Amt antrat. Und schon jetzt gilt bei dem Ludwigshafener Chemiekonzern als sicher, dass wieder ein interner Kandidat das Rennen machen wird, wenn Strube 2003 seinen Platz räumt. Immerhin haben sie alle Jahre im Ausland verbracht. "In den letzten Jahrzehnten sind wir sehr gut mit dieser Strategie gefahren" sagt eine Konzernsprecherin. Warum also etwas ändern?

"Die Branche ist sehr konservativ", sagt Jörg Ritter, Personalberater bei Egon Zehnder International in Berlin. Zu Recht, wie er findet. "Wenn der Konzentrationsprozess vor allem in der Pharmabranche weiter voranschreitet, ist das ein sicheres Pfund."

Typisches Beispiel ist Bayer Chef-Manfred Schneider. Seit Jahren kämpft der Fußballfan gegen eine Aufspaltung des 137 Jahre alten Traditionskonzerns. Großinvestoren fordern sie immer wieder, um den Börsenwert zu steigern. Schneider dagegen hält die komplexe Struktur - mit Landwirtschaft, Polymeren, Chemie und Pharma unter einem Dach - für die beste Abwehr gegen eine Übernahme. "Wir halten an unserer Strategie fest und machen nicht jeden Modetrend mit", betont der Chef gern. Mit seinen designierten Nachfolger Werner Wenning, den er persönlich ausgewählt hat, kann er sicher sein, dass alles beim Alten bleibt. Das trifft genauso auf den neuen Schering-Boss Hubertus Erlen zu: Auch er wandert trittsicher in den Fußstapfen seines Vorgängers Vita.

Der Eindruck, dass die Unternehmen die Konkurrenz mit der Außenwelt scheuten, weist Personalexperte Ritter aber zurück. Konzerne wie Schering gingen dazu über, frühzeitig auch externe Kandidaten zu testen, über lange Zeit deren Schwächen und Stärken zu beobachten und mit denen der eigenen Kandidaten zu vergleichen. "Das ist gleichzeitig eine gute Benchmark für die internen Kandidaten", sagt Ritter. Durch den Vergleich werde der Wettbewerb schärfer.

Es sei ohnehin weniger wichtig, woher die Kandidaten um den Vorstandsvorsitz kommen, als dass sie rechtzeitig aufgebaut werden, meint Ingo Richthoff, Senior-Berater bei Kienbaum Management Consultants. "Die Führungselite muss frühzeitig und langfristig ausgebildet werden", sagt der Berater. "Das ist wichtig, um die eigene Position auf dem Markt nicht zu schwächen." Gerade hier sieht er in vielen deutschen Unternehmen große Defizite.

Beispiel VW: Der mächtige Konzernlenker Ferdinand Piech hatte es jahrelang versäumt, zusammen mit dem Aufsichtsrat einen Kronprinzen aufzubauen. Als Nachfolger wurde kurzfristig Bernd Pischetsrieder bestimmt. Sein alter Arbeitgeber BMW hatte dem Manager vorzeitig den Laufpass gegeben, weil er mitverantwortlich für die Rover-Pleite gemacht wurde. So etwas könne sich ein Pharmakonzern nicht leisten, sagt ein Analyst. Schon deshalb nicht, weil die Branche ein viel komplexeres Spezialwissen erfordere als die Autoindustrie.

Die konservative Pharma und Chemiebranche könnte sich somit zum Vorläufer entwickeln für einen Trend, der sich in angloamerikanischen Ländern schon seit langem abzeichnet. "Vor allem in den USA und in Großbritannien gibt es viele große Unternehmen, in denen man sich schon sehr früh hinsetzt und über den Nachfolger an der Vorstandsspitze nachdenkt", sagt Personalexperte Ritter. Viele deutsche Unternehmen müssten diese Hürde erst noch nehmen. "Gerade bei börsennotierten Unternehmen wird der Manager an der Spitze immer wichtiger."

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