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Patienten sollten ihren Ärzten vertrauen können. Deshalb müht sich die Politik nun um ein Korruptionsverbot.

© dpa

Pharmafirmen beklagen Korruptionsrisiken: Gefährliche Geschäfte

Arzneihersteller sehen enorme Gefahren bei Geschäftsbeziehungen zu Ärzten. Doch nur jedes dritte Pharmaunternehmen verfügt über ein Antikorruptionsprogramm.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) rennt mit seinem Vorstoß zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen bei der Pharmaindustrie offene Türen ein. Nach einer aktuellen Studie der Wirtschaftsberatung PricewaterhouseCoopers (PwC), die dem Tagesspiegel vorliegt, wünschen sich 63 Prozent der befragten Arzneihersteller eine Regelung, mit der auch die Korruption niedergelassener Ärzte unter Strafe gestellt wird. Zudem erhofft sich jede zweite Pharmafirma von einer eindeutigen Gesetzeslage ein „wichtiges Signal“ zur Unterstützung des eigenen Verhaltenskodexes.

Der Grund für die gestiegene Sensibilität der Branche ist ein doppelter. Zum einen bangen die Unternehmen nach dem BGH-Urteil, das die Korruption von niedergelassenen Ärzten nach geltender Gesetzeslage für nicht strafbar erklärt hat, verstärkt um die eigene Reputation. Zum andern haben sie allen Grund dazu. Obwohl „gerade die Pharmabranche einem erhöhten Korruptionsrisiko ausgesetzt“ sei, werde „der Bekämpfung von Korruption im Vergleich zu anderen Branchen weniger Aufmerksamkeit gewidmet“, heißt es in der Untersuchung. So habe nur jedes dritte Pharmaunternehmen (36 Prozent) ein Antikorruptionsprogramm vorzuweisen, also etwa eine Hotline oder einen Beauftragten. Branchenübergreifend liegt der Schnitt bei 59 Prozent. Auch Überprüfungen zur Einhaltung von Verhaltenskodizes oder Schulungen zu dem Thema sind weit seltener als in anderen Branchen. Und während 46 Prozent aller Unternehmen über Compliance-Programme verfügen, kommt die Pharmaindustrie gerade mal auf 22 Prozent.

Die Untätigkeit der Branche hat die Prüfer auch deshalb überrascht, weil die Pharmafirmen selber gegenüber den Ärzten von einem erheblichen Korruptionsrisiko ausgehen. Am höchsten schätzen sie die Gefahr für so genannte Anwendungsbeobachtungen ein. Hier werden Praxismediziner für das bevorzugte Verschreiben bestimmter Arznei honoriert, wenn sie nebenher ein paar Fragebögen ausfüllen – eine weit verbreitete, wissenschaftlich verbrämte Marketingmethode, die auch von Ärztefunktionären kritisch gesehen wird.

Vor zwei Jahren stuften 63 Prozent der Firmen das damit verbundene Korruptionsrisiko als „mittel bis sehr hoch“ ein. Bei einer Nachbefragung in diesem Jahr waren es bereits 77 Prozent. Aber auch bei anderen Geschäftsaktivitäten sehen die Arzneihersteller eine erhebliche Gefahr, mit Anti-Korruptionsregeln in Konflikt zu geraten. Für Beraterverträge mit Medizinern erkannten 75 Prozent solches Risikopotential, für die kostenlose Überlassung von Geräten 73 Prozent, für die bezahlte Referententätigkeit von Ärzten 62 Prozent, für die Teilnahme von Medizinern an fachbezogenen Pharmafortbildungen 40 Prozent. Und selbst die Abgabe von kleinen Werbepräsenten wie Kugelschreibern, die der Minister ausdrücklich nicht verboten haben möchte, hielten 23 Prozent für problematisch.

Der Studie zufolge sind zwei Drittel der Pharmafirmen von Wirtschaftskriminalität betroffen, 14 Prozent berichteten über Fälle von Korruption. Und vier von fünf befragten Firmen klagen über indirekte Schäden dadurch. Am schwersten wiegt für sie dabei der zeitliche Aufwand für das Management der Fälle. Es folgen: die Beeinträchtigung von Geschäftsbeziehungen, der Reputationsverlust, der Aufwand für Rechtsstreits. Für die sechste PwC-Studie zur Wirtschaftskriminalität wurden 2011 deutschlandweit 830 Unternehmen befragt, darunter 36 der Pharmabranche. An einer Folgebefragung von 2013, die sich nur auf Korruptionsrisiken gegenüber niedergelassenen Ärzten bezog, nahmen 50 Pharmafirmen teil.

Bahr hat vor kurzem angekündigt, die Gesetzeslücke für Korruption in Arztpraxen noch in dieser Legislatur schließen zu wollen. Vorteilsannahme und -gewährung sollen dann gleichermaßen verboten werden, bei schweren Verstößen drohen Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. An diesem Mittwoch ist dazu eine Anhörung im Gesundheitsausschuss angesetzt.

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