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© Caro / Westermann

Pharmaindustrie: 50 Milliarden Dollar für Augenmedizin

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis übernimmt die US-Firma Alcon und stellt sich damit breiter auf.

Düsseldorf - Pharmakonzerne investieren intensiv in neue Produktbereiche. Sie wollen damit unabhängiger werden vom riskanten Geschäft mit innovativen Medikamenten. So hat jetzt der Baseler Novartis-Konzern für 28 Milliarden Dollar seinen Anteil am Augenheilkunde-Unternehmen Alcon von 25 Prozent auf 77 Prozent aufgestockt. Die Schweizer nutzen damit eine mit dem bisherigen Alcon-Mehrheitseigner Nestlé vereinbarte Kaufoption zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Zugleich kündigte Novartis ein Übernahmeangebot für die restlichen Anteile an Alcon an. Dafür bietet der Konzern 2,8 eigene Aktien je Alcon-Anteilsschein, was derzeit einem Wert von etwa 11,2 Milliarden Dollar entspricht.

Ist diese Offerte erfolgreich, wird Novartis-Chef Daniel Vasella alles in allem knapp 50 Milliarden Dollar für den größten Zukauf in der Firmengeschichte investiert haben, rund das Achtfache des Alcon-Jahresumsatzes von 6,4 Milliarden Dollar und mehr als das 20-Fache des operativen Gewinns.

Die Übernahme fügt sich in eine ganze Reihe von Transaktionen, mit denen große Pharmakonzerne ihr Geschäft erweitern und diversifizieren. So hat etwa Branchenführer Pfizer den US-Konzern Wyeth gekauft und Sanofi-Aventis den Tierarzneihersteller Merial übernommen. Ziel ist es, Umsatzeinbußen durch ablaufende Patente zu kompensieren, die Abhängigkeiten von einzelnen ertragsstarken Produkten zu reduzieren und das Pharmageschäft so zu verstetigen. „Die Transaktionen sind Teil einer Strategie zur Reduzierung von Risiken im innovativen Pharmageschäft“, erklärte Branchenexpertin Britta Holt von der Ratingagentur Fitch.

Eine solche Streuung von Risiken streben die Pharmahersteller auch über ein verstärktes Engagement in Schwellenmärkten, den Einstieg ins Geschäft mit Nachahmer-Medikamenten (Generika) und eine Flut von Lizenzvereinbarungen und kleineren Zukäufen im Biotechbereich an. Astra-Zeneca etwa kaufte vor wenigen Tagen die französische Firma Novoxel für 350 Millionen Dollar.

Auch der mittelständischen deutschen Pharmafirma Merz, die ebenfalls am Montag den Kauf des US-Ästhetik-Spezialisten Bioform Medical für 253 Millionen Dollar ankündigte, geht es vor allem um eine Verbreiterung des Produktportfolios. Durch diese mit Abstand größte Akquisition in der Firmengeschichte hofft das Familienunternehmen Merz, seine Position in der Dermatologie zu verstärken, der Hautheilkunde.

Die börsennotierte Bioform Medical entwickelt und vertreibt eine Reihe von Produkten für die Schönheitsbehandlung – ein Bereich, in dem Merz ebenfalls vertreten ist, unter anderem mit der Pflegeserie Merz Spezial und einer speziellen Variante des Faltenglätters Botox. Der Umsatz des US-Unternehmens erreichte zuletzt umgerechnet rund 37 Millionen Euro, allerdings bei einem operativen Verlust von rund 14 Millionen Euro. Hauptprodukt von Bioform ist ein sogenannter Filler zur Faltenbehandlung.

Gemeinsam mit Bioform habe die Merz-Gruppe künftig noch besseres Wachstumspotenzial in der ästhetischen Medizin, sagte der Vorsitzende des Merz-Gesellschafterrates und Haupteigner des Unternehmens, Jochen Hückmann, am Montag.

Merz verzeichnete in den letzten Jahren einen starken Aufschwung dank des erfolgreichen Alzheimer-Medikaments Memantine. Im vergangenen Geschäftsjahr, das im Juni endete, verbuchte das Unternehmen einen Gewinn von 136 Millionen Euro. Wie etliche Großkonzerne steht allerdings auch der Mittelständler Merz vor der Herausforderung, Nachfolgeprodukte aufzubauen für die Zeit ab 2014, wenn das Memantine-Patent ausläuft. Hintergrund sind die großen Unsicherheiten in der Entwicklung von Medikamenten. Zahlreiche Projekte scheiterten in letzter Zeit im fortgeschrittenen Stadium der klinischen Entwicklung oder in der Zulassungsphase, während auf der anderen Seite wichtige Patente aus den 1990er Jahren auslaufen.

Das Geschäft mit innovativen Originalmedikamenten ist damit weniger kalkulierbar geworden. Deswegen streben viele Konzerne in angrenzende Bereiche des Gesundheitssektors. Während bis Mitte des Jahrzehnts der Trend zur Konzentration auf Pharma dominierte, sind einige Großkonzerne in jüngerer Zeit umgeschwenkt. Sanofi-Aventis und Glaxo- Smithkline etwa verstärkten sich durch Zukäufe bei freiverkäuflichen Medikamenten und Gesundheitsprodukten. Der US-Konzern Abbott stieg ins lukrative Geschäft mit der Erweiterung von Blutadern ein. HB

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