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Keine Mangelware. Auch in den verschuldeten Staaten in Europa sollen die Bürger von den Pharmakonzernen weiter mit Medikamenten versorgt werden. Foto: dpa

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Wirtschaft: Pillen auf Pump

Pharmafirmen warten auf Geld aus den Schuldenstaaten – und liefern weiter.

Berlin - Es sind Milliarden, die Europas hochverschuldete Staaten Griechenland, Italien, Spanien und Portugal den Pharmakonzernen weltweit schulden, zum Teil müssen die Unternehmen mehr als ein Jahr auf die Begleichung ihrer Forderungen warten. Während Merck nun den Ton verschärft und Portugal wegen der schlechten Zahlungsmoral mit einer Reduzierung der Forschungsinvestitionen gedroht hat, wollen andere Konzerne den Ländern die Treue halten.

„Wir liefern weiter“, sagt ein Sprecher des Leverkusener Chemie- und Pharmakonzerns Bayer, der seine Außenstände in den vier Ländern auf einen dreistelligen Millionenbetrag beziffert. Maßnahmen wie die von Merck seien nicht geplant. Dennoch sei die Zahlungsmoral in diesen Ländern im öffentlichen Sektor „nicht zufriedenstellend“.

Auch der Schweizer Pharmakonzern Roche, der Anfang des Jahres seine Konditionen für die Krankenhäuser in den Schuldenstaaten verschärft hatte, beteuert: „Alle Medikamente sind in Portugal, Spanien und Griechenland erhältlich.“ Roche sei mit den Krankenhäusern im Gespräch, um „einvernehmliche Lösungen“ zu ausstehenden Zahlungen zu finden, sagte eine Sprecherin. Im Geschäftsbericht 2011 hatte der Konzern offene Forderungen in Südeuropa in Höhe von 2,1 Milliarden Franken ausgewiesen. Vergleichbare Pläne wie bei Merck gebe es nicht, aber man „beobachte die Entwicklungen in den Ländern sorgfältig“, sagte die Sprecherin.

Zu Beginn des Jahres standen die vier Länder bei den Pharmakonzernen mit 12,5 Milliarden Euro in der Kreide, wie der europäische Branchenverband Efpia errechnet hat. Davon entfielen auf Portugal, dem Merck nun gedroht hat, knapp 1,3 Milliarden Euro, auf Italien knapp 3,9 Milliarden. Griechenland schuldet den Unternehmen knapp 1,1 Milliarden Euro – trotz eines Befreiungsschlags im Jahr 2010, als das Land einen Teil der Schulden mit der Ausgabe von Staatsanleihen beglich. Spanien, der größte Schuldner, hat kürzlich alle Rechnungen bis Ende 2011 bezahlt – in Höhe von 6,4 Milliarden Euro. „Das hat die Lage etwas entschärft“, sagte der Bayer-Sprecher. In Portugal verhandeln derzeit die Pharmakonzerne und die Akteure im Gesundheitswesen über Zahlungskonditionen.

Trotz der schlechten Zahlungsmoral der Krankenhäuser wird auch der deutsche Arzneimittelhersteller Boehringer Ingelheim seine Produkte weiter zur Verfügung stellen. Es gehöre zu den „ethischen Verpflichtungen“ von Pharmafirmen, sicherzustellen, dass Patienten Zugang zu ihren Medikamenten haben, sagte ein Sprecher. „Daher wird unser Unternehmen die Lieferung von Arzneimitteln nicht einstellen.“ Auch weitergehende Maßnahmen seien nicht geplant, weder in der Produktion noch in der Forschung. Boehringer erwirtschaftet rund zehn Prozent seiner Umsätze mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in den jeweiligen Ländern über die Krankenhäuser.

Auf Dialog statt auf Drohungen setzt auch Pfizer Deutschland. Man sei „bemüht, konstruktiv mit den Regierungen, Kostenträgern und Anbietern im Gesundheitswesen“ in den Ländern zu arbeiten, teilte ein Sprecher des Konzerns mit. Jahel Mielke

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