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Plattmachen! Eine Dampfwalze zerstört Plagiate eines Einkaufskorbes. Das Geschäft mit gefälschten Markenprodukten floriert. Foto: p-a/dpa

© picture-alliance/ dpa

Plagiate: Internationales Abkommen soll Produktpiraten schwächen

Am Montag wird in Luzern über ein internationales Abkommen gegen Piraterie verhandelt. Doch zentrale Punkte sind strittig, obwohl bereits seit zwei Jahren über die Thematik geredet wird.

Von Anna Sauerbrey

Berlin - Die 161 Telefone kamen vor zwei Wochen per Luftpost aus Asien am Flughafen Köln/Bonn an. Das gefälschte Apfel-Logo war unter einer Folie versteckt, vielleicht in der Hoffnung, der Zoll würde nicht aufmerksam werden. Doch die Beamten griffen zu. Täuschend echt sahen die falschen iPhones aus. Nun sind sie im Müll gelandet.

Für Zollbeamte überall in Europa ist das ein alltäglicher Vorgang. Das Geschäft mit gefälschten Markenprodukten floriert. Die internationale Handelskammer (ICC) spricht von 700 Milliarden Dollar Piraterieschaden pro Jahr. Der Umfang des Handels lässt sich allerdings kaum schätzen, da er vor allem auf dem Schwarzmarkt stattfindet. Doch an den europäischen Außengrenzen wächst die Zahl der beschlagnahmten Produkte seit Jahren tatsächlich kontinuierlich.

Gemeinsam mit den USA, Kanada, Japan, der Schweiz, Australien, Neuseeland und einer Handvoll Schwellenländern will die EU nun verschärft gegen Produktpiraterie vorgehen. Überhaupt sollen geistige Eigentumsrechte besser geschützt werden. Darunter fallen etwa Patente auf Medikamente und Urheberrechte an Musik und Literatur. Ab Montag treffen sich Vertreter der beteiligten Staaten in Luzern, um über ein internationales Abkommen zu verhandeln. ACTA heißt es, eine Abkürzung für Anti-Piraterie-Abkommen. In diesem Jahr soll es endlich verabschiedet werden, verhandelt wird schon seit 2008. Doch noch immer sind zentrale Punkte strittig. Und das ist kein Wunder. Es geht um die widerstreitenden Interessen mächtiger Wirtschaftszweige. Um rechtsstaatliche Grundsätze. Und um viel Geld.

Schon bei der Frage, ob das Abkommen überhaupt nötig ist, gehen die Meinungen auseinander. Denn der Schutz geistiger Eigentumsrechte ist bereits international geregelt. Es gibt eine eigene UN-Unterorganisation und ein internationales Abkommen, dem alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) zugestimmt haben. Die EU-Kommission hält das ACTA dennoch für nötig, weil WTO-Mitglieder nicht willens seien, „Probleme mit Bezug zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums anzugehen“, teilte die Kommission auf eine Anfrage des Europaabgeordneten Alexander Alvaro (FDP) mit. Im Klartext: Länder wie China haben zwar bestehenden Abkommen zugestimmt. Dennoch kommen von dort über die Hälfte der gefälschten Waren, die der Zoll an den europäischen Außengrenzen aus dem Verkehr zieht. Nach Ansicht von Beobachtern soll so eine „politische Hebelwirkung“ erzeugt werden.

Der eigentliche Streit um ACTA fängt aber da an, wo es konkret um die Methoden zur Bekämpfung von Piraterie und Urheberrechtsverletzungen geht. Strittig ist vor allem, welche Rolle die sogenannten Service-Provider spielen sollen. Muss die Telekom eingreifen, wenn über ihre Leitungen illegal die neueste Platte von Lady Gaga heruntergeladen wird? Muss Ebay Schadensersatz zahlen, wenn Händler auf der Plattform gefälschte Louis-Vuitton-Taschen verkaufen? Internationale Gerichte haben schon über solche Fragen entscheiden müssen. Und fällten sehr unterschiedliche Urteile, teilweise sogar innerhalb desselben Landes.

An diesem Punkt stehen sich auch mächtige Interessenverbände diametral gegenüber. „Aus unserer Sicht sollte explizit ausgeschlossen werden, dass Provider, die Zugang zum Internet anbieten, für Verstöße gegen Urheberrechte haftbar gemacht werden“, sagt Judith Lammers, Bereichsleiterin Urheberrecht beim Branchenverband Bitkom, der in Deutschland viele Provider vertritt. Jeffrey P. Hardy ist da anderer Meinung. Hardy arbeitet für „BASCAP“, eine Lobby-Initiative der Internationalen Handelskammer. Die wird von Luxusartikelherstellern wie LVHM ebenso unterstützt wird wie von Patentinhabern wie Pfizer und Urheberrechtsinhabern wie Universal. „Auch die Service-Provider müssen die Auswirkungen von illegalem Handel mit Pirateriegütern anerkennen und darüber nachdenken, wie sie zur Bekämpfung dieses schädlichen Phänomens beitragen können“, sagt er.

Europaparlamentarier haben hingegen grundlegende Bedenken. „Es gibt einen Trend, dass der Staat immer stärker die Durchsetzung des Rechts auf Private auslagert. Auch im derzeitigen Entwurf von ACTA gibt es Passagen, die die Provider zu strafrechtsähnlichen Maßnahmen verpflichten würden“, sagt der Grüne Jan Philipp Albrecht. Ebenso wie Alexander Alvaro von der FDP befürchtet Albrecht, Provider könnten immer mehr zu „Hilfssheriffs“ der Justiz werden.

Netzaktivisten, die Piratenpartei und Europaabgeordnete befürchten außerdem, dass mit ACTA doch noch Netzsperren eingeführt werden könnten. Frühere Entwürfe sahen vor, Internetnutzer vom Netz auszuschließen, sollten sie mehrfach bei Urheberrechtsverletzungen erwischt werden. So läuft es zum Beispiel in Frankreich, EU-weit sind Netzsperren aber kein Konsens.

Im aktuellen Entwurf findet sich keine entsprechende Klausel. Wie genau in den strittigen Punkten entschieden wird, ist insgesamt aber noch unklar. Für diese Verhandlungsrunde wird kein Abschluss erwartet. Auch müsste das EU-Parlament dem Abkommen zustimmen. Und auch die Mitgliedstaaten hätten noch ein Wort mitzureden. Der Bundesrat hat die Regierung im Mai bereits aufgefordert, zu verhindern, das mit ACTA neues Recht gesetzt wird. Anna Sauerbrey

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