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Polnische Hochschulabsolventinnen. Viele Studierende verlassen schon vor dem Abschluss das Land, weil sie im Ausland bessere Bedingungen vorfinden.

© Caro / Bastian

Polen: Die Besten verlassen das Land

Polens Arbeitgeber befürchten, dass immer mehr hoch qualifizierte Arbeitnehmer abwandern. Attraktiv ist für die Bewerber nicht nur die weitaus höhere Bezahlung im Ausland.

Die besten Köpfe werden Polen verlassen. Das ist das alarmierende Ergebnis einer Studie der Jagiellonen-Universität in Krakau. Fast 80 Prozent von mehr als 1 000 befragten Arbeitgebern gaben an, dass nach ihrer Meinung in den kommenden zehn Jahren viele der hoch qualifizierten Arbeitnehmer ins Ausland gehen werden. Für Adam Ambrozik vom Polnischen Verband der Arbeitgeber kommt diese bedrohliche Entwicklung keineswegs überraschend. Die polnische Wirtschaft sei vor allem für die jungen und gut ausgebildeten Leute nicht innovativ genug.

Attraktiv ist nicht nur die in der Regel weitaus höhere Bezahlung im Ausland. Auch die besseren Aufstiegschancen, die meist moderner ausgestatteten Arbeitsplätze oder die besseren sozialen Rahmenbedingungen sind Argumente, die Heimat zu verlassen. Braindrain (zu deutsch etwa: Abwanderung der klugen Köpfe) nennen Fachleute dieses Phänomen. Mit dem Beitritt Polens zur EU im Jahr 2004 ist es zudem zumindest rechtlich für die Arbeitnehmer ein Leichtes, in einem anderen Land einen Job zu finden.

Konrad Turek, einer der Autoren der Studie, hat mit dem großen Pessimismus der Unternehmer allerdings nicht gerechnet. „In Polen ist der Braindrain seit einigen Jahren in vielen Branchen zum Problem geworden“, sagt der Wissenschaftler. „Aber die Arbeitgeber befürchten offensichtlich, dass es sich in Zukunft noch wesentlich verschärft.“ Diese Vermutung unterstützt Adam Ambrozik vom Arbeitgeberverband. Er warnt: „Die große Welle haben wir noch vor uns.“

Immer wieder gibt es Berichte von fehlenden Ingenieuren auf den Baustellen oder vom fast schon dramatischen Ärztemangel in den Krankenhäusern. Die Mediziner können in England oder Norwegen, wo sie mit offenen Armen empfangen werden, ein Vielfaches ihres Gehaltes einstreichen. Ein Facharzt im öffentlichen Krankenhaus verdient in Polen zwischen 800 und 1200 Euro.

Inzwischen warten die Akademiker nicht mehr, bis sie in Polen einige Jahre Berufserfahrung gesammelt haben. Jüngst meldete sich Andrzej Jajszczuk, Professor an der Krakauer Akademie für Bergbau, in einem Interview mit der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ zu Wort. Seine Erfahrung ist, dass nicht mehr nur die besten Hochschulabsolventen, sondern bereits die guten Studenten oder sogar Abiturienten ins Ausland gehen, um dort zu studieren. Einige seiner besten Assistenten hätten Polen den Rücken gekehrt. „Hoch qualifizierte Spezialisten, die während oder nach dem Studium das Land verlassen, sind kaum mehr zur Rückkehr zu bewegen“, warnte der Professor, sie seien für das Land verloren. Der Hauptgrund für die Abwanderungen im universitären Bereich sind vor allem die weitaus besseren Arbeitsbedingungen im Westen, an zweiter Stelle folgt die Bezahlung.

Seit Jahren wird in den zuständigen Ministerien diskutiert, wie die Qualität der polnischen Universitäten gehoben und damit gute Wissenschaftler gehalten werden können. Zuletzt wurde eine grundlegende Reform der Ausbildungsstrukturen beschlossen, die nun lebhaft diskutiert, aber nicht umgesetzt wird. Um den Braindrain zu stoppen, wurden auch Forschungsprogramme aufgelegt. So sollen Stipendien mit klingenden Namen wie „Welcome“ oder „Homing Plus“ polnische Studenten aus dem Ausland nach Hause zurücklocken.

Doch ist sich die ansonsten eher zerstrittene Welt der Wissenschaft in Polen einig, dass es noch ein sehr langer und steiniger Weg ist, bis polnische Universitäten zu einem Anziehungspunkt für die Forscher aus aller Welt werden. Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Magazin „Time“ ein Ranking der besten 160 internationalen Hochschulen. Die Universität Warschau belegte darin als beste polnische Hochschule den 159. Platz.

Knut Krohn

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