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Wirtschaft: Polens reichstem Mann droht der Absturz Unternehmer Kulczyk strauchelt im Orlen-Skandal

Warschau - Auf den prominenten Zeugen harrten die Mitglieder des Orlen-Untersuchungsausschusses in Polens Parlament Anfang November vergebens. Jan Kulczyk, Polens reichster Mann, sei auf der Rückreise aus den USA urplötzlich erkrankt und sitze nun in London fest, erklärte sein Anwalt den verdutzten Parlamentariern.

Warschau - Auf den prominenten Zeugen harrten die Mitglieder des Orlen-Untersuchungsausschusses in Polens Parlament Anfang November vergebens. Jan Kulczyk, Polens reichster Mann, sei auf der Rückreise aus den USA urplötzlich erkrankt und sitze nun in London fest, erklärte sein Anwalt den verdutzten Parlamentariern. Danach verlas er eine lange Erklärung seines Auftraggebers – in der Kulczyk den Abgeordneten Rufschädigung, Erpressung und die Schädigung des Wirtschaftsstandorts Polen vorwarf. Auch in dieser Woche ließ Kulczyk eine Vorladung der polnischen Staatsanwaltschaft wegen Krankheit verstreichen.

Um den Unternehmer, dessen Orlen-Tankstellenkette auch in Deutschland aktiv ist, ranken sich wilde Gerüchte. Als VW-Vertreter hatte der heute 54-jährige Kulczyk Anfang der neunziger Jahre seine Karriere begonnen. Heute kontrolliert sein verschachteltes Firmenimperium, die Kulczyk-Holding, rund 20 Prozent der polnischen Börse, ist im In- und Ausland an Telekommunikations-, Öl-, Bier- und Autofirmen beteiligt. 75000 Mitarbeiter stehen auf der Lohnliste des Unternehmers aus Posen. Sein Vermögen wird auf bis zu 2,8 Milliarden Euro geschätzt. Seine engen Kontakte in alle politischen Lager erleichterten ihm nicht nur die Sicherung staatlicher Großaufträge, sondern bei den Privatisierungen der 90er Jahre auch den günstigen Erwerb von später mit großem Gewinn verkauften Beteiligungen.

Jetzt aber scheinen ihm die engen Kontakte zur Politik zum Verhängnis zu werden. Anfang des Jahres warf ihm der frühere Schatzminister Wieslaw Kaczmarek vor, im Herbst 2001 gemeinsam mit Ex-Premierminister Leszek Miller die Verhaftung des damaligen Chefs des Ölkonzerns PKN Orlen veranlasst zu haben, um ihn durch einen Mann seines Vertrauens zu ersetzen. Kulczyk sei auch für das abrupte Ende der Karrieren von Schatzministern verantwortlich, die sich seinen Privatisierungswünschen widersetzt hätten, hieß es.

Kulczyk ist obendrein eine willkommene Zielscheibe, weil die konservative Opposition mit Attacken auf ihn die angeblich mafiösen Machenschaften der regierenden Sozialdemokraten aufs Korn nehmen will. Denn die scheinen mit dem Manager unter einer Decke zu stecken. Das Parlament will wissen, warum sich Kulczyk im Juli 2003 mit dem russischen KGB-Spion Wladimir Alganow in Wien getroffen hat. Über dieses Treffen sind Geheimdienstnotizen an die Öffentlichkeit geraten. Einige Ausschussmitglieder wittern Landesverrat: Sie argwöhnen, dass Kulczyk des schnöden Mammons wegen einen strategisch wichtigen Staatsbetrieb, die Rafineria Gdanska, den Russen zuschanzen wollte. Und Präsident Kwasniewski soll das Geschäft gebilligt haben.

Kulczyk selbst hat inzwischen verlauten lassen, dass es damals um ein nie zustande gekommenes Geschäft von Gaslieferungen aus Russland über Polen nach Deutschland gegangen sei. Doch das Misstrauen der Rechtsklerikalen ist geweckt.

engen Kontakte zur Politik soll er skrupellos zur Durchsetzung eigener Interessen nutzen – die nicht immer identisch mit denen des Landes sind. Im Untersuchungsausschuss des Parlamentes ist Kulczyk vor allem wegen zweier Dinge unter Beschuss geraten:

Seit Kulczyk aber dem Untersuchungsausschuss ferngeblieben ist, sinkt sein Stern. „Kulczyk spuckt auf Polen“, empörte sich das Boulevardblatt Superexpress. Der Orlen-Skandal drohe zur „größten Affäre in der Geschichte der Republik“ zu werden, schrieb die „Rzeczpospolita“. Die Atmosphäre um den Ausschuss sei schon jetzt „sehr gespannt“: „Es leidet daran der Staat, es leidet unsere Wirtschaft.“ Auch der reichste Bürger des Landes müsse sich einer Anhörung stellen, verlangte der frühere Außenminister Bronislaw Geremek. Egal, welche Enthüllungen im Orlen-Skandal noch folgen werden: Der steile Aufstieg des diskreditierten Firmenchefs scheint beendet. Ende der Woche wurde an der Warschauer Börse ein Paket von 2,78 Prozent der Orlen-Aktien verkauft. Es gehen Gerüchte, dass Tatsächlich bietet die Affäre um den Machtkampf beim halbstaatlichen Ölkonzern PKN Orlen alle Bestandteile, die ein packender Thriller braucht. Verwickelt sind darin nicht nur der reichste Mann des Landes, sondern auch hochrangige Politiker, Geheimdienste - und ein Spion.

Jan Kulczyk seinen Ausstieg aus Polen plant – und dafür Geld benötigt.

Thomas Roser

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