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Wirtschaft: Politik fordert Preissenkung von der Bahn

Kundenansturm auf Billigtickets beim Discounter Lidl / Fahrscheine nach wenigen Minuten ausverkauft

Berlin - Nach der großen Resonanz auf den Verkauf von preiswerten Bahn-Fahrscheinen beim Discounter Lidl fordern Politiker und Verkehrsverbände nun eine dauerhafte Preissenkung. „Die Bahn muss jetzt schnell ein neues Kontingent an Billigtickets nachschieben, um die Kunden bei der Stange zu halten, die leer ausgegangen sind“, sagte Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Die Bahn kündigte derweil neue Sonderangebote für den Sommer an.

Am Donnerstag hatte der Staatskonzern erstmals Tickets in den 2600 Supermarkt-Filialen von Lidl verkaufen lassen. Bereits wenige Minuten nach Ladenöffnung waren die mehr als 500000 Fahrscheinhefte zu je 49,90 Euro verkauft. Mit ihnen sind Fahrten durch ganz Deutschland ohne Vorbuchung in allen Bahn-Zügen möglich, nur Nachtzüge und ICE-Sprinter kosten einen Aufpreis. Vor allem in den Städten war die Resonanz enorm. Vor vielen Berliner Lidl-Filialen bildeten sich bis zur Geschäftsöffnung Schlangen von hundert Metern Länge und mehr. Obwohl Lidl nach eigenen Angaben zusätzliches Personal eingesetzt hatte, kam es oftmals zu Wartezeiten von mehr als einer Stunde. Nachdem die Tickets ausverkauft waren, konnten sich die Kunden in Wartelisten eintragen. Lidl-Mitarbeitern zufolge sollten die leer Ausgegangenen noch unverkaufte Tickets aus anderen Filialen bekommen. Solche Fälle wurden am Donnerstag aber nicht bekannt.

Beim Internet-Auktionshaus Ebay wurden schon am Morgen erste Tickets versteigert. Die Preise stiegen im Tagesverlauf auf das Dreifache des Verkaufspreises. Die Bahn war zuvor mit dem Versuch gescheitert, den Weiterverkauf über das Internet zu unterbinden.

Ein Bahn-Sprecher sagte, zusätzliche Tickets würden nicht in den Verkauf kommen. Die Aktion sei ein voller Erfolg gewesen. „Im Juli“ seien neue Sonderangebote geplant, die dann auch über die üblichen Vertriebswege – Bahnhofsschalter, Automat oder Internet – zu kaufen sein sollen. Von einem „Lockvogelangebot“ sprach die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg. Die Aktion sei für zehn Tage angekündigt, die Kontingente aber teilweise binnen Minuten ausverkauft gewesen, sagte der Geschäftsführer Reiner Münker. Eigentlich hätte das Sonderangebot für mindestens zwei Tage verfügbar sein müssen. „Wir werden das ganz genau prüfen“, sagte er und schloss eine Abmahnung Lidls nicht aus.

Dagegen forderten die Grünen weitere Sonderaktionen. Der Erfolg des Angebots zeige, dass der Konzern noch zahlreiche Kunden gewinnen könne, wenn nur der Preis stimme und das Angebot flexibel sei, sagte Verkehrsexperte Schmidt. „Die Bahn muss ihre Lidl-Lektion lernen.“ Der Konzern solle sein Preissystem nun ändern und mehr Billigtickets in Zeiten anbieten, in denen die Züge schwach ausgelastet seien. Dabei müsse es ein Angebot über alle Vertriebswege inklusive der Reisebüros geben – nicht nur über den Supermarkt. Auch Uwe Beckmeyer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, verlangte Preissenkungen. „Die Aktion zeigt, dass die Bahn bei geringeren Tarifen für weitaus mehr Menschen attraktiv ist“, sagte er. Allerdings könne das Unternehmen nicht zum Nulltarif fahren und müsse seine Kosten decken. „Das ist eine Gratwanderung“, befand er. Der Verkehrsclub Deutschland verlangte, die Bahn müsse für ein einfacheres, günstigeres Tarifsystem sorgen – sonst laufe sie Gefahr, Stammkunden zu verprellen.

Auch der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßte das Sonderangebot. „Die Aktion an sich war gut“, sagte Pro-Bahn-Vorsitzender Karl-Peter Naumann. Die Bahn habe das Problem, dass viele Bürger die Preise höher einschätzten, als sie tatsächlich sind. Daher wirke die Lidl-Aktion in die richtige Richtung. Jetzt müsse die Bahn aber auch ähnliche Aktionen für ihre Stammkunden anbieten. Vorbild könne die Schweiz sein. Dort können Bahncard-Kunden stark reduzierte Netzkarten kaufen, die einen Tag gültig sind. Auch das Preisniveau insgesamt könne „schon etwas abgesenkt werden“, sagte Naumann. „Die Normalpreise sind so hoch, dass sie kaum einer mehr zahlt.“

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