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Wirtschaft: Politik gegen den Strom

Die Energiekonzerne stehen in der Kritik. Glos kündigt ein schärferes Kartellrecht an, die SPD will sogar „das Oligopol brechen“

Berlin - Der Vorwurf wiegt schwer: Die Stromkonzerne sollen ihre Preise stärker angehoben haben, als die Erzeugungskosten gestiegen sind. Bisher äußerten diese Vermutung vor allem Verbraucherschützer. Doch nun hat sich dieser Sichtweise auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) angeschlossen. Er werde das Kartellrecht für die Energiebranche verschärfen, kündigte er im Bundestag an.

Der deutsche Strommarkt wird von vier Unternehmen dominiert: Eon, RWE, Vattenfall und EnBW. Die überregionalen Höchstspannungsnetze befinden sich ausschließlich im Besitz der vier, bei der Stromerzeugung machen sie rund 80 Prozent des Marktes aus. Gleichzeitig sind die Strompreise an der Leipziger Energiebörse EEX in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen (siehe Grafik). Kritiker vermuten deshalb, dass die Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen.

Was die Stromleitungen betrifft, hat die Bundesnetzagentur die Kontrolle übernommen – und zum Teil deutliche Absenkungen der Gebühren erzwungen. Auf der Erzeugerseite hingegen gibt es nach Ansicht der Regierung noch zu wenig Wettbewerb. Hier erwirtschaften die Unternehmen den Großteil ihrer Milliardengewinne. Erst vor Kurzem hatte Umweltminister Sigmar Gabriel deshalb gefordert, dass es mehr unabhängige Kraftwerksbetreiber geben müsse.

Das gleiche Anliegen verfolgt nun auch Glos. Das Wirtschaftsministerium arbeite bereits an einer Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, um die Befugnisse des Bundeskartellamts zu stärken.

Alfred Richmann vom Verband der industriellen Kraftwirtschaft (VIK) unterstützt die Pläne. Der VIK vertritt die Interessen großer Stromabnehmer. Dass der Wettbewerb bisher nicht funktioniere, zeige ein einfaches Zahlenbeispiel, sagte er: Demnach erzeugt RWE 80 Prozent seines Stroms zu Kosten von 24 Euro je Megawattstunde. Der an der Börse zu erzielende Preis liege jedoch bei mehr als dem Doppelten.

Die betroffene Branche selbst wollte sich nicht äußern. „Wir werden in die Debatte nicht öffentlich eingreifen“, sagte ein Sprecher des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW). Die Position der Branche werde man im direkten Gespräch mit den zuständigen Politikern deutlich machen.

Allerdings dürfte es die Stromwirtschaft im Umgang mit den Koalitionsfraktionen zunehmend schwer haben. So wollen die Sozialdemokraten sogar noch weiter gehen als der Wirtschaftsminister. „Wir müssen das Oligopol brechen“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef Ulrich Kelber dem Tagesspiegel. Jedes Gesetz im Energiebereich müsse einem „Monopol-Tüv“ unterzogen werden. Die bisherige Politik von Glos hätte einem solchen TÜV allerdings nicht standgehalten, kritisierte Kelber. Als Beispiel nannte er dessen Vorstoß zur Abkehr vom Atomausstieg und den Zuteilungsplan beim Emissionshandel. „Beides hat das Oligopol noch gestärkt“, sagte er.

Derweil macht der Wettbewerb auf dem Gasmarkt langsam Fortschritte. „Das Geschäft ist sehr gut angelaufen“, sagte der Deutschland-Chef des neuen Energieanbieters Nuon, Thomas Mecke, dieser Zeitung. Bisher habe das Unternehmen in Berlin 3000 und in Hamburg 2000 Kunden gewonnen. Im Vergleich zum Gesamtmarkt ist die Bereitschaft zum Anbieterwechsel aber noch gering: Der etablierte Versorger Gasag kommt in Berlin auf 650 000 Abnehmer. Sein ursprünglich nur bis August laufendes Angebot hat Nuon mittlerweile unbefristet verlängert – mit einer Festpreisgarantie bis 30. September 2007.

Noch besser läuft es für Nuon auf dem Strommarkt. Hier konnte das Unternehmen seit Beginn des Jahres 40 000 Berliner gewinnen. Der Abstand zum Marktführer bleibt aber groß: Vattenfall hat in Berlin 1,7 Millionen Haushaltskunden.

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