zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Politik soll bei Kartstadt draußen bleiben

Betriebsrat lehnt Einmischung der Bundesregierung ab / Erste Angebote für Logistik-Tochter des Konzerns

Berlin/Essen Karstadt-Betriebsratschef Wolfgang Pokriefke hat sich gegen ein Eingreifen der Politik bei der bevorstehenden Sanierung des angeschlagenen Warenhauskonzerns ausgesprochen. „Wir sind kein Holzmann-Fall und brauchen keine Begleitung durch die Bundesregierung“, sagte er am Freitag. Zu der Kritik von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Karstadt-Management meinte Pokriefke: „Der Herr Bundeskanzler sollte sich lieber an die eigene Nase fassen und seine Fehler korrigieren“.

Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Karstadt Warenhaus AG, der auch im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzt, forderte statt einer „direkten Einmischung der Politik“ einen Umschwung bei der Praxis der Ausweisung von immer neuen Gewerbeflächen auf der grünen Wiese. „Es muss darum gehen, die Innenstädte als Standorte für Warenhäuser wieder attraktiver zu machen“, sagte Pokriefke. Der Betriebsrat kündigte an, man werde innerhalb eines Jahres beweisen, dass die Filialen schwarze Zahlen schreiben können.

Auch die Städtetag-Präsidentin und Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth warnte davor, „zu große Hoffnungen in die Politik als Retter eines angeschlagenen Unternehmens zu setzen.“ Städte und Gemeinden müssten in Zukunft mit „regionalen Einzelhandelskonzepten über die jeweiligen Stadtgrenzen hinweg eine zentrenverträgliche Entwicklung des Einzelhandels betreiben. Nur so könne die fortschreitende Schaffung von Überkapazitäten bei der Verkaufsfläche gestoppt werden, teilte Roth dem Tagesspiegel mit. Gelinge dies nicht, drohe eine „Verödung der Innenstädte“.

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, hat finanzielle Hilfen des Bundes für KarstadtQuelle ausgeschlossen. „Es kann nicht sein, dass der Staat jetzt in irgendeiner Form in die Steuerschatulle greift und KarstadtQuelle aus der Problemzone heraushilft“, sagte Brandner am Freitag im ZDF.

Der Wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Werner Schulz, sagte im Südwestrundfunk: „Die Politik kann in solchen Momenten nicht helfen, das hat man ja bei Holzmann im übrigen auch gesehen, und es hat ja im Endeffekt nichts gebracht.“ Die Probleme seien von Ex-Vorstandschef Walter Deuss regelrecht verschludert worden. „Hier wäre natürlich materielle Haftbarkeit angebracht und wir erleben ja ständig, dass diese Spekulation der Vorstände ja häufig von der Belegschaft bezahlt werden müssen“, sagte Schulz.

Unterdessen verhandelt das Logistikunternehmen Fiege mit KarstadtQuelle über den Kauf eines Großteils der Logistikaktivitäten des Essener Warenhaus- und Versandhandelskonzerns. Es liefen Gespräche zur Übernahme „bedeutender Teile“, sagte ein Sprecher der im nordrhein-westfälischen Greven ansässigen Fiege Deutschland GmbH am Freitag und bestätigte damit Zeitungsberichte. Einzelheiten sollten Dienstag genannt werden. Fiege ist ein international tätiges Unternehmen, das im vergangenen Jahr mit rund 12 000 Beschäftigten einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro erzielte.

Über die künftige Strategie von Karstadt streiten jetzt die Analysten. Handelsexperte Volkhardt Klöppner von BBDO Consulting sagte dem Tagesspiegel: „Eine erfolgreiche Marke braucht Homogenität im Erscheinungsbild. Das kann Karstadt mit den unterschiedlichen Größen, die die Filialen jetzt haben, nicht bieten“, sagte Klöppner. Auch wenn kleinere Filialen rentabel seien, könne es daher für die strategische Ausrichtung des Konzerns sinnvoll sein, sie abzustoßen. „Wenn die Standorte profitabel sind, werden sich auch Interessenten finden“, sagte Klöppner. Als Zukunftsstrategie reiche eine Standortreduktion aber nicht aus: „Karstadt muss auch seine Rabattpolitik überdenken. Einen Preiswettbewerb mit den Discountern kann Karstadt nicht gewinnen“.

Der DGB in Berlin und Brandenburg erklärt sich solidarisch mit den Beschäftigten des Kaufhauskonzerns. Wie der Gewerkschaftsbund am Freitag mitteilte, unterstütze der DGB auch das von Verdi angestrebte Standort- und Beschäftigungssicherungskonzept. In Berlin sind nach Verdi-Einschätzung davon sechs Kaufhäuser betroffen. 1000 bis 1200 Arbeitsplätze sind gefährdet.

Der langjährige Chef der KarstadtQuelle AG, Walter Deuss, lehnt laut „Spiegel online“ jede Verantwortung für die Krise des Warenhauskonzerns ab. Zu den geplanten Filialverkäufen und Entlassungen wollte er sich nicht äußern. „Ein guter Hund macht nicht in die eigene Hütte, auch wenn er ausgezogen ist“, sagte Deuss. avi/ddp/dpa

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false