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POSITION: Keiner kennt die Folgen

Ob Transfers oder Entschuldung – Griechenland braucht noch lange Hilfe

Vor dem EU-Gipfel ist der Wunsch der Bevölkerung klar: Mutige politische Entscheidungen mögen die Probleme Griechenlands und der Euro-Zone schlagartig lösen. Der Wunsch ist aber unerfüllbar. Die Wahrheit ist: Die griechischen Schulden werden den europäischen Steuerzahler noch jahrelang Geld kosten – ob man nun Griechenland mit Transfers hilft oder ob man mit einem Schuldenschnitt auf einen Teil der Forderungen verzichtet und deswegen wackeligen Banken helfen muss. Ein Patentrezept gibt es nicht. Dies gilt auch für den Rettungsschirm für ganz Europa. Wahr ist aber auch: Solange nicht weitere Schritte erfolgen, werden auch andere Staaten wie Spanien, Italien oder gar Frankreich misstrauisch beäugt. Diese Unsicherheit dämpft die Wachstumsaussichten und am Ende droht höhere Arbeitslosigkeit.

Schuldenschnitt oder Transfer? Eine schwere Entscheidung. Wie man es auch dreht und wendet: In beiden Fällen wird der Schuldner zu einem Teil aus der Haftung befreit. Aber für Griechenland ergibt sich aus keiner der beiden Lösungen eine komfortable Lage. Jeder Weg wird den Griechen einen enormen Anpassungsdruck auferlegen, der durchaus mit den Umwälzungen in Ostdeutschland nach der Wende vergleichbar ist.

Ob Hilfe nun aus direkten Transfers aus den reicheren Staaten oder einer Entschuldung mit gleichzeitiger Bankenrettung kommt, ist unter dem Strich für die Menschen in Europa ziemlich egal. Zu Recht sind die Bürgerinnen und Bürger darüber aufgebracht, dass den Banken schon wieder Steuergelder in Aussicht gestellt werden. Denn die Finanzinstitute haben gut an den griechischen Schulden verdient.

Für die Wirtschaftwissenschaft ist das Kernproblem der Krise die Abschätzung der Folgewirkung. Dabei gilt leider: Die Kettenreaktionen eines bestimmten Handelns sind für das überaus komplexe Finanzsystem kaum zu kalkulieren. Aus den Staatspleiten, die es in modernen Zeiten gab, kann man keine sicheren Schlussfolgerungen ziehen, und innerhalb eines Währungsgebietes gab es überhaupt noch keine.

Auch wenn die Ökonomen jetzt nicht alle Folgen der Krise in allen Einzelheiten prognostizieren und klar entscheiden können, welche Lösung die optimale ist, können zumindest Teilprobleme analysiert werden. So ist zum Beispiel klar, dass durch entsprechende Regulierungen dafür gesorgt werden muss, dass in Zukunft eine Bank durchaus wirklich bankrottgehen kann, ohne dass dadurch ein größerer volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Nach der von den USA ausgehenden Bankenkrise und der Staatsschuldenkrise in Teilen Europas ist auch klar, dass Untätigkeit schadet, es kein „Weiter so“ geben kann, und das Finanzsystem strenger reguliert werden muss. Hier liegt das Primat des Handelns ganz klar bei der Politik. Hier kann sie den Hebel ansetzen, und hier kann sie auch das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen.

Gert G. Wagner ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Morgen lesen Sie einen Beitrag von IMK-Chef Gustav Horn.

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