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POSITION: Reichtum ist ein Geschenk

Warum eine höhere Erbschaftsteuer gerecht ist

Heute beginnt die Zeit des Schenkens. Geschätzte 100 Milliarden Euro haben die Deutschen insgesamt ausgegeben, um ihre Verwandten und Freunde zum Fest zu erfreuen – Reiche meist mehr, Ärmere weniger. Geschenke gibt es aber nicht nur an Weihnachten. Wer viel Geld hat, womöglich ein Vermögen, besitzt es nicht nur aufgrund der eigenen Anstrengung. Zwar mussten sich die meisten ihren Status und ihr Geld hart erarbeiten. Doch zuallererst macht das Glück – nämlich Talent und womöglich Vermögen geschenkt zu bekommen – den entscheidenden Unterschied.

Das ist Grund genug für den Staat, Erbschaftsteuer zu erheben. Denn auch wer das Pech hatte, keinen Reichtum per Geburt anvertraut zu bekommen, soll am gesellschaftlichen Leben teilhaben dürfen. Diese christliche Grundüberzeugung muss eine Gesellschaft, die menschenwürdig sein will, sicherstellen. Also sind Steuern nötig – am besten solche, die dem Wirtschaftsergebnis so wenig schaden wie möglich. Wie etwa die Erbschaftsteuer.

Jeder Reichtum beruht nicht nur auf eigener Anstrengung, sondern auch auf Talenten, die man in die Wiege gelegt bekommen hat. Selbst wer hart arbeitet, hat Werte wie Fleiß oder Ehrgeiz von seinen Eltern geerbt oder vermittelt bekommen.

Allerdings ist es uns im Alltag meist egal, ob Erfolg auf Talent oder auf Anstrengung beruht. Besonders deutlich wird dies bei Sportlern, die eine besonderes Begabung in die Wiege gelegt bekommen haben. Wir bewundern sie – egal ob ihr Erfolg auf hartem Training oder auf Talent beruht. Wie wenig sportlicher Erfolg mit Fleiß und Selbstdisziplin zu tun haben können (also den Eigenschaften, die wir zu Recht schätzen und belohnt wissen wollen), kann man an vielen Ex-Sportlern erkennen, die nach einer erfolgreichen Karriere im echten Leben scheitern oder sich als Darsteller auf dem Boulevard lächerlich machen. Wie etwa der US-Footballspieler O.J. Simpson.

Supervermögen entstehen nur durch Glück. Bill Gates etwa, der milliardenschwere Computerpionier, war in den siebziger Jahren nicht der einzige talentierte Bastler, der im Silicon Valley eine Garagenfirma aufmachte. Aber er war der Einzige, dessen harte Arbeit sich in einen unvorstellbaren Erfolg umgewandelt hat.

Dass Bill Gates viele Steuern zahlt, ist mehr als gerecht. Er kennt die Quellen seines Erfolgs – Talent und Glück – offenbar. Die Errichtung einer riesigen Stiftung ist für einen Glückspilz wie Gates die angemessene Form, mit dem erarbeiteten Reichtum umzugehen. Für uns Normalmenschen sind Spenden – neben pünktlich gezahlten Steuern – eine angemessene Form, das Schicksal derer zu berücksichtigen, die sich unverschuldet in einer schlechteren Lage befinden.

Neben der Einkommensteuer ist die Erbschaftsteuer unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten sehr gut begründet. Denn Erben gehen nicht nur mit mehr Geld auf ihren Lebensweg als andere. Meistens sind die Erben großer Vermögen auch besser ausgebildet als ihre Altersgenossen. Über bessere Netzwerke (früher sagte man dazu „Seilschaften“) verfügen sie auch. Die meisten haben einen enormen Startvorteil, den ihnen keine noch so hohe Erbschaftsteuer nehmen kann.

Insofern wäre es vertretbar gewesen, wenn die Bundesregierung bei der jüngsten Reform der Erbschaftsteuer mutiger gewesen wäre. Auch gesunde Handwerksbetriebe würde eine höhere Erbschaftsteuer nicht kaputt machen. Denn leistungsfähige Betriebe können mit Krediten belastet werden. Warum sollen die Erben von Handwerksfirmen nicht mit Schulden ins Leben starten? Anderen Berufsgruppen wie Existenzgründern oder Ex-Studenten mutet man es ja auch zu.

Gert G. Wagner ist Ökonomieprofessor und leitet die Sozialkammer der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zur Zeit lehrt er am Max-Weber-Kolleg in Erfurt.

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