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Wirtschaft: Post aus Japan

Die ganze Nation wärmt sich noch immer am freudigen Ereignis, dass nun endlich eingetreten ist: Nachwuchs im kaiserlichen Hause. Ansonsten wärmt wenig in Japan.

Die ganze Nation wärmt sich noch immer am freudigen Ereignis, dass nun endlich eingetreten ist: Nachwuchs im kaiserlichen Hause. Ansonsten wärmt wenig in Japan. Der Winter hält Einzug und die traditionelle Leichtbauweise zeigt Wirkung: in japanischen Heimen pfeift immer ein Luftzug durch dünnglasige Fenster und zarte Holzwände.

Zwar ist der Winter bei weitem nicht so streng wie der deutsche, doch Temperaturen um den Gefrierpunkt scheinen in japanischen Häusern gleich noch ein paar Grad kälter zu sein. Seit Jahrhunderten hält die Bauindustrie an dem japanischen System fest, sperrt sich hartnäckig gegen die Einführung von recht nützlichen Erfindungen wie Zentralheizung oder Wärmedämmung. Den Herstellern von Elektrogeräten kommt dies zugute: der Handel mit Heizspiralen, Kerosinöfen, Gasstrahlern und Radiatoren floriert.

Tokios Kaufhäuser haben ihre Haushaltsabteilungen nun ganz auf Winter umgestellt. Die feuchte Sommerhitze ist längst dahin, trocken ist die Winterluft, zu trocken für menschliche Schleimhäute: Husten und Schnupfen wird man kaum los im japanischen Winter. Also müssen Luftbefeuchter her, kleine kastenförmige Geräte, selbstverständlich mit Strom betrieben und mit einem Wassertank ausgerüstet, dessen Inneres sie in die Luft pusten. Bei fünfzig Prozent Luftfeuchtigkeit lässt es sich besser atmen.

Für die allzu trockene Luft in Japans Häusern und Wohnungen sind die Klimaanlagen verantwortlich, die im Sommer kühle Luft verströmen und im Winter auf "Warm" umgestellt werden: ein gleichmässiger Hauch trockener Fönluft in jedem Raum ist die Folge. Jedes Zimmer in japanischen Wohnungen ist mit einer Klimaanlage ausgerüstet, in Häusern ist sie oft nicht Raum für Raum, sondern nur ganzflächig zu regulieren. Allein im Grossraum Tokio wohnen an die 30 Millionen Menschen - die Menge an in die Atmosphäre verpuffender Energie mag man sich gar nicht vorstellen.

Gemütlich ist es im japanischen Wohnzimmer: wie in alten Zeiten schart sich die Familie um den "Kotatsu", einen niedrigen Tisch, der mit einer dicken Wolldecke bedeckt ist, unter die man die Füße streckt. Ein heutzutage elektrisches Feuer unter dem Tisch sorgt für heimelige Atmosphäre, im Rücken bleibt es allerdings kühl. Gegen Fußkälte schützt außerdem ein elektrischer Teppich, Heizdecken in jeder Grösse sind auch zu haben.

Allen diesen Geräten ist gemeinsam, dass sie nur mit Glück ein, zwei Winter überleben, dann muss nachgerüstet werden. Nicht Qualität und Lebensdauer sind gefragt, sondern ein möglichst günstiger Preis und das neueste Modell. Große japanische Elektrohersteller wie Mitsubishi und Matsushita lassen längst in Billiglohnländern wie Malaysia und Indonesien fertigen. Die Nachfrage auf dem heimischen Markt ist saisonbedingt einfach zu groß.

Selbst Japanerfahrene können sich nur äußerst schwer an eine besondere Eigenart gewöhnen: nach alter Tradition wird im Badezimmer nie geheizt. Bei klirrender Kälte steigt man möglichst schnell in die heiße Wanne, ein Temperaturwechsel, den ältere Menschen oft nicht gut vertragen. Im Winter fällt regelmäßig eine bestimmte Zahl von Senioren der Badezimmerkälte zum Opfer. Einen besonderen Service hält aber immerhin das ebenfalls nicht beheizbare stille Örtchen bereit: dort sorgt eine elektrisch beheizte Klobrille für bescheidenen Komfort.

Ulrike Haak

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