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Wirtschaft: Private Pleiten auf Rekordniveau

Inkassofirmen erwarten in diesem Jahr aber weniger Firmeninsolvenzen

Berlin - Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen wird 2005 sprunghaft ansteigen. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) erwartet für dieses Jahr 70000 Privatinsolvenzen, wie der Verband am Donnerstag in Berlin mitteilte. Das sind rund 40 Prozent mehr als im Jahr 2004. Grund sei in erster Linie die Überschuldung. „Die privaten Schuldner zahlen noch schlechter als vor sechs Monaten – immer mehr kaufen auf Pump“, kommentierte BDIU-Präsident Stephan Jender die aktuelle Herbstumfrage unter den 516 Mitgliedsunternehmen des BDIU. Den extremen Anstieg erklärte Jender damit, dass die Möglichkeit der Verbraucherinsolvenz bekannter geworden sei und das Verfahren häufiger genutzt werde.

Seit 1999 können Privatpersonen Insolvenz anmelden und sich in einem gerichtlichen Verfahren von ihren Zahlungsverpflichtungen befreien lassen. BDIU-Sprecher Wolfgang Spitz kritisierte die Prozesse als zu bürokratisch und teuer. „2005 kann das den Steuerzahler rund 200 Millionen Euro kosten.“ Der BDIU forderte bei einer Reform des Verfahrens eine Stärkung der Gläubigerinteressen und die Konzentration auf ein kostengünstigeres außergerichtliches Verfahren. „In der jetzigen Form ist die Verbraucherinsolvenz eine tickende Zeitbombe für den Steuerzahler“, sagte Spitz.

Die Verschuldung der Privathaushalte habe im Vergleichszeitraum 1999 bis 2004 lediglich um zwölf Prozent zugenommen. Mehr als drei Millionen Deutsche gälten zurzeit als überschuldet. Ihr Einkommen reicht dauerhaft nicht aus, um den Lebensunterhalt, offene Rechnungen und laufende Kredite zu finanzieren. Diese Haushalte könnten alle theoretisch Insolvenz beantragen, deshalb rechnet der Verband auch im nächsten Jahr mit einem weiteren Anstieg der Verfahren.

Schlechtes Zahlungsverhalten von Privatpersonen stellte die Mehrzahl der Inkassounternehmen auch bei den gewerblichen Schuldnern fest. Unter Forderungsausfällen litten vor allem die Baubranche, das Handwerk und der Dienstleistungssektor. „Für kleinere Betriebe kann ein verzögertes Zahlungsverhalten fatale Folgen haben“, sagte Jender. Der BDIU geht davon aus, dass dieses Jahr 38000 Firmen Insolvenz anmelden müssen – drei Prozent weniger als 2004. Fast drei Viertel dieser Unternehmen hätten maximal bis zu fünf Mitarbeiter. Damit seien zunehmend kleine Betriebe betroffen. Weniger als ein Prozent der Firmen habe mehr als 100 Beschäftigte. Jender mahnte auch die Vorbildfunktion der kommunalen Haushalte bei Zahlungen an. Die öffentliche Hand zahle häufig zu spät.

Der Rückgang der Firmenpleiten sei ein Hinweis darauf, dass die Konjunktur sich belebe. Nach der Erfahrung des BDIU folgen die Firmeninsolvenzen der konjunkturellen Entwicklung zeitlich verzögert. Auch wenn die Zahlen noch nicht weit von den Höchstständen entfernt seien, „haben wir das wirtschaftliche Tal schon durchschritten“, sagte Jender. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden durch Insolvenzen sinke 2005 um zehn Prozent auf 35 Millionen Euro. Während 2004 noch 600000 Beschäftigte wegen Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers um ihre Stelle fürchteten, sind es in diesem Jahr voraussichtlich 530000. Erstmals seit fünf Jahren sind auch in Westdeutschland die Unternehmensinsolvenzen rückläufig. Weitere Verbesserungen seien unter anderem durch ein effizienteres betriebliches Mahnwesen und eine ausreichende Eigenkapitalausstattung zu erreichen.

Susanne Herrmann

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