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Privatisierungen: Staatliche Rückzugsgefechte

Der Staat hat viel Eigentum verkauft. Der Börsengang der Bahn wirft die Frage auf, ob das sinnvoll war.

Die Liste der Bundesbesitztümer ist seit den 90er Jahren erheblich kürzer geworden. Durch den Verkauf von Beteiligungen und Kapitalvermögen erlöste der Bund allein in den vergangenen zehn Jahren 64,2 Milliarden Euro. Doch die Kritik wird lauter. Nicht nur Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine würde am liebsten die Privatisierung von Post und Telekom rückgängig machen und die Energienetze verstaatlichen. Auch SPD-Chef Kurt Beck spricht vom Privatisierungs-„Hype“, der nun „Gott sei Dank“ vorbei sei. In vielen Kommunen werden privatisierte Betriebe wieder in Staatshand genommen. Und auch der Bund will sich wieder an der Bundesdruckerei beteiligen. Doch vor allem über eines der letzten großen Privatisierungsvorhaben des Bundes wird heftig gestritten: den Börsengang der Deutschen Bahn.

Am Montag tagt der SPD-Parteirat, um über den aktuellen Bahn- Kompromiss zu beraten: Nur 24,9 Prozent der Verkehrssparte sollen verkauft werden. Nicht nur in der Partei selbst regt sich Widerstand. Meinungsforscher ermitteln immer wieder ein negatives Stimmungsbild in der Bevölkerung. „Es ist wichtig, dass der Börsengang überhaupt kommt. Das ist der Lackmustest für die Privatisierungspolitik“, heißt es aus Regierungskreisen. Jetzt müsse die Zukunft der Bahn offengehalten werden, sprich: dafür gesorgt werden, dass ein späterer Verkauf weiterer Tranchen möglich ist. Auch bei Telekom und Post hat der Bund Anteile in mehreren Schritten verkauft.

Zwar wolle er nicht das Hohelied der Staatsbetriebe singen, sagt DGB-Chefvolkswirt Dierk Hirschel. Doch gelte auch nicht, dass privat immer besser sei. Es gebe zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnvolle Alternativen für die Bahn, sich das benötigte Kapital zu beschaffen, etwa durch eine Anleihe. „Auch wenn der Bund nur einen Teil der Anteile abgibt, schützt ihn das nicht vor überzogenen Renditeforderungen und der Kurzfristorientierung der Finanzinvestoren“, sagt Hirschel. Bei netzgebundenen Industrien bestehe zudem immer die Gefahr, dass aus dem staatlichen ein privates Monopol wird.

Anders argumentiert August Ortmeyer, Infrastrukturexperte des DIHK. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Bund über dieses Unternehmen auf dem Markt mitspielen will“, sagt Ortmeyer. „Da, wo der Staat sich unternehmerisch betätigt, muss zu 100 Prozent privatisiert werden.“ Aufgabe des Staates sei es hingegen, sich um die Infrastruktur zu kümmern. „Dafür muss er sich strategische Ziele setzen sowie die Daseinsvorsorge gewährleisten.“ Solange der Markt Alternativen biete, sei dies die bessere Lösung. Dass der Markt versagen könne, sei kein Argument. „Das ist eine Frage der effektiven Regulierung“, sagt Ortmeyer.

Auch Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, betont die Rolle der Regulierung. „Wer privatisiert, aber den Markt nicht öffnet, der gewinnt nicht viel“, sagt Hüther und verweist als Negativbeispiel auf den Energiemarkt. Dort habe man zu lange auf freiwillige Vereinbarungen und zu spät auf die Regulierung gesetzt. Auch an anderer Stelle müsse man genau hinschauen, ob eine Privatisierung geboten sei. Bei der Flugsicherung etwa, deren Privatisierung am Einspruch von Bundespräsident Horst Köhler erst einmal scheiterte. „Wenn es um die Bereitstellung der öffentlichen Sicherheit geht, kann ich eine leichthändige Privatisierungpraxis nicht nachvollziehen“, warnt Hüther.

„Erhebliches Potenzial für Privatisierungen“ macht Patrick Adenauer, Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer aus. Auch bei der Bahn, sieht er „das Ende der Fahnenstange für Privatisierungen noch lange nicht erreicht“.

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