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Wirtschaft: Prodi fordert Aussetzung des Dosenpfands

EU-Kommissar verlangt Europa-taugliches Rücknahmesystem –Trittin lehnt Verzögerung ab

Berlin (msh/dpa). Die EUKommission hat die Bundesregierung aufgefordert, das Dosenpfand bis zur Errichtung eines bundesweit einheitlichen Rücknahmesystems auszusetzen. Zwar verzichtete die Kommission am Mittwoch auf ein formales Verfahren gegen Berlin, setzte der Bundesregierung aber eine Frist bis zum 1. Oktober. Sei bis dahin kein einheitliches System aufgebaut, werde Brüssel ein Verfahren eröffnen, schrieb Kommissionspräsident Romani Prodi in einem persönlichen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder. In einer ersten Reaktion lehnte der für das Dosenpfand zuständige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) eine Aussetzung des Dosenpfandes ab.

Prodi reagiert mit dem Brief auf die Bitte Schröders, kein förmliches Verfahren gegen Berlin einzuleiten. Das Problem: Derzeit können leere Getränkedosen und Einwegflaschen nur dort zurückgegeben werden, wo sie auch gekauft wurden. EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein sieht darin eine Behinderung des freien Warenverkehrs in der Union. Die Lösung wäre das bundesweit einheitliche Rücknahmesystem, das Handel und Industrie aber bisher nicht zustande gebracht haben.

Umweltminister Trittin blieb jedoch bei seiner Auffassung, dass ausländische Anbieter durch die Übergangsregelung nicht benachteiligt werden. Die Bundesregierung sehe auch „keinerlei Veranlassung für eine Aussetzung der Dosenpfandregelung“, erklärte Trittin. So unbefriedigend die derzeitige Regelung aus Sicht der Verbraucher sei, ermögliche sie doch der Getränkewirtschaft den Aufbau eines bundeseinheitlichen Rücknahmesystems.

Die Entscheidung der EU-Kommission, wegen der Dosenpfand-Regelung kein Verfahren gegen Deutschland einzuleiten, nahm Trittin mit Befriedigung zur Kenntnis. „Damit ist das Kalkül derjenigen, die seit Monaten und Jahren versuchen, die Pfandregelungen zu hintertreiben, gescheitert.“ Zum 1. Oktober werde in Deutschland ein bundesweites Rücknahmesystem für Einwegverpackungen bestehen, das die Anforderungen des europäischen Binnenmarktes in vollem Umfang erfüllen werde.

Diese Darstellung wies der Einzelhandel zurück. Bis Oktober werde es definitiv kein bundesweites Rücknahmesystem geben, sondern allenfalls „Insellösungen“, sagte Hubertus Pellengahr, Sprecher des Handelsverbandes HDE. Der Einzelhandel selbst hatte vor wenigen Wochen seine Zusage an Trittin aufgekündigt, ein Rücknahmesystem für Einwegbehälter aufzubauen. Der Grund seien rechtliche Unsicherheiten und die wirtschaftlichen Folgen des Pflichtpfands. Mit der Aufforderung Prodis sei jetzt die Zeit gekommen, noch einmal über das Dosenpfand nachzudenken. Aus Sicht des Handels sei das Dosenpfand gescheitert, sagte Pellengahr. Trittin täusche die Öffentlichkeit, wenn er sage, dass der Kiosk-Betreiber Lekkerland-Tobaccoland mit dem Handelskonzern Spar ein flächendeckendes Rücknahmesystem aufbauten.

Am Lekkerland-Rücknahmesystem wollen sich bislang rund 100 000 Verkaufsstellen – überwiegend Kiosks und Tankstellen – beteiligen. Inzwischen wollen sich auch 10 000 Geschäfte des Getränke-Facheinzelhandel an dem Rücknahmesystem beteiligen. Eine entsprechende Vereinbarung bestätigte am Mittwoch der Vorsitzende des Verbandes des Deutschen Getränkehandels, Wolfgang Brügel. Der Getränke-Einzelhandel verkauft überwiegend Mehrwegverpackungen und ist ein erklärter Befürworter des Einwegpfandes.

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