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Puppenproduktion

© ddp

Produktion im Ausland: China wird zu teuer

Viele deutsche Firmen verlassen China - jedes fünfte unternehemn will wieder weg. Es ist auch zu unsicher geworden. Gesucht werden nun noch billigere Standorte.

Lange hielt Helga Krefts Begeisterung für China nicht an. Die Spielzeugherstellerin aus Hagen ließ fünf Jahre in dem Land Holzspielzeug anfertigen. Dann hatte sie genug. „Die Produkte erfüllten weder unsere Qualitätsstandards, noch hat sich die Produktion dort auf Dauer gelohnt“, sagt die Mittelständlerin. „Wer gute Ware haben will, muss in China inzwischen fast genauso viel dafür zahlen wie anderswo auch“, stellt sie fest.

Mit dieser Erfahrung steht Kreft keineswegs alleine da. Denn für immer mehr deutsche Unternehmen ist China zur Enttäuschung geworden. Nach den zahlreichen Rückrufaktionen von giftigem Spielzeug großer Hersteller im vergangenen Jahr fürchten inzwischen auch viele andere Firmen um den Verlust ihres guten Rufs. Auch die Verarbeitung der in China hergestellten Produkte lässt nach Meinung zahlreicher Unternehmen oft zu wünschen übrig. Und nicht zuletzt rentiert sich das Land nicht mehr für jeden. So hat etwa Adidas-Chef Herbert Hainer erst vor wenigen Tagen angekündigt, die Produktion in China zugunsten anderer asiatischer Standorte zu drosseln.

„Made in China“ gilt seit langem als Synonym für Billigproduktion. Doch mittlerweile hat sich vieles verändert. Steigende Energiekosten, schärfere Umweltauflagen, weniger Steuervorteile, ein Mangel an Fachkräften und die Aufwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar haben das Land deutlich verteuert. Die Inflationsrate, die im ersten Halbjahr bei rund acht Prozent lag, hat auch die Löhne steigen lassen – um bis zu 20 Prozent, wie Harald Kayser, Partner der Unternehmensberatung PriceWaterhouse-Coopers (PWC) sagt. Manchen Branchen und Firmen würden die Chinesen nun zu teuer. Sie sähen sich deshalb in anderen Ländern, wie Bangladesch, Indien oder Kasachstan, nach günstigeren Produktionsstandorten um oder kehrten ganz nach Deutschland zurück. „Die Karawane zieht jetzt weiter“, sagt Kayser.

Nach Schätzung des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) könnte das auf etwa jede fünfte der rund 1600 in China mit Produktionsstätten vertretenen deutschen Firmen zutreffen. Genaue Daten gibt es aber nicht. „Sehr viele Firmen sind blauäugig in den chinesischen Markt eingestiegen, ohne zu bedenken, dass auch dort die Löhne steigen“, sagt VDI-Sprecher Sven Renkel.

Selbst chinesische Unternehmen verlagerten einfache Produktion immer häufiger ins Ausland, berichtet Eddy Henning, Firmenkundenchef der Deutschen Bank in Peking. „Wer nur T-Shirts herstellen will, geht eher nach Vietnam oder nach Afrika.“ Für Investoren aus Europa konkurrierten zudem Rumänien und Bulgarien mit China. Inzwischen sei Schanghai teurer als manch osteuropäischer Standort, sagt Hans Röhm vom Beratungsunternehmen Deloitte. Er glaubt daher, dass vor allem diejenigen deutschen Unternehmen aus China weggehen, die ursprünglich wegen der Kostenvorteile ins Land gekommen waren. Dazu gehörten etwa die Konsumgüterindustrie und die Textilbranche, die in großen Mengen produziert. Aber auch Hersteller hochwertiger Waren müssten sich überlegen, ob der Markt für sie langfristig infrage käme, sagt er. „Wenn es um geringe Stückzahlen in hoher Qualität geht, funktioniert das in China oft noch nicht so gut“, meint auch Deutsche-Bank-Mann Eddy Henning. Und wenn die Qualität nicht spitze sei, schade das dem Ruf des Unternehmens, erklärt Deloitte-Berater Röhm. „Wir raten vielen unserer Kunden daher, wieder eine Produktion in Deutschland in Betracht zu ziehen.“

Und dennoch. Auf China ganz verzichten können die wenigsten Firmen. Zu groß ist der Markt in dem Land, in dem der Wohlstand der Bevölkerung und damit der Konsum wächst – und das womöglich schon im kommenden Jahr Deutschland als Exportweltmeister ablösen wird. Deshalb rechnet keiner der Experten damit, dass deutsche Firmen China reihenweise den Rücken kehren werden. „Die meisten Unternehmen können es sich gar nicht leisten, auf den boomenden chinesischen Markt zu verzichten“, sagt Röhm.

Der Schiffsbauzulieferer Hatlapa aus der Nähe von Hamburg gehört zu den Unternehmen, die den chinesischen Markt direkt bedienen. Das Unternehmen ist seit rund 20 Jahren im Land vertreten, seine Kunden sind die großen staatlichen Werften. Natürlich stiegen auch in China Löhne und Sozialabgaben, aber daran sei nun mal nichts zu ändern, sagt Ralf Nicolaisen, stellvertretender Vertriebsleiter der Hatlapa. Immerhin sei der Maschinen- und Anlagenbau glücklicherweise nicht so lohnintensiv wie die Textil- oder Konsumgüterindustrie. Von einer Abwanderung aus China könne daher keine Rede sein.

„Die ausländischen Direktinvestitionen sind weiter sehr hoch“, sagt Deutsche-Bank-Mann Henning. „Ob da jetzt der ein oder andere abwandert, ist von eher geringer Bedeutung.“ Mitarbeit: Stefan Kaiser und Daniel Rhee-Piening

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