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© dpa

Produktqualität: Böse Überraschungen aus China

China liefert weit mehr als nur Spielzeug nach Deutschland. Doch das Vertrauen in die Qualität sinkt - bei Unternehmern und Verbrauchern.

Düsseldorf - Auf seinen Reisen nach China stößt der Hamburger Geschäftsmann Rolf Brunner (Name von der Redaktion geändert) oft auf Unverständnis. Wenn er von einem möglichen Lieferanten Zertifikate verlangt, etwa über die Lebensmittelverträglichkeit von Spielzeug oder Haushaltswaren, zuckt sein Gegenüber meist mit den Schultern. „Dann heißt es in der Regel: ,Besorgen Sie sich die Zertifikate doch zu Hause selbst’“, sagt der Chef eines mittelständischen Traditionsunternehmens. Doch viele Produkte würden einer Prüfung in Deutschland nicht standhalten. „China ist für uns das große Problem“, erzählt Brunner. „Wir bekommen immer wieder mieseste Qualität angeboten.“ Lieber kauft die Firma in Vietnam oder Thailand ein.

„Made in China“ hat auch bei vielen Verbrauchern ein Image-Problem. Aufgeschreckt wurden sie jetzt erneut durch die jüngsten Vorfälle beim Spielzeugfabrikanten Mattel. Der musste in der größten Rückrufaktion der Firmengeschichte mehr als 18 Millionen in China gefertigte Spielzeuge vom Markt nehmen, die bleihaltige Farben oder gefährliche Magnetteile enthielten. Dabei ist China als „Werkbank der Welt“ bei vielen Alltagsprodukten Lieferant Nummer eins auch für Deutschland. Die riesigen Container aus dem Reich der Mitte, die sich Tag für Tag die Elbe herauf nach Hamburg und in andere Häfen schieben, bringen 30 Prozent der importierten Textilien, mehr als 50 Prozent der Lederwaren und fast 60 Prozent der Spielwaren. Insgesamt importierte Deutschland 2006 aus China Waren im Wert von fast 50 Milliarden Euro.

Doch nicht nur beim Spielzeug gibt es zum Teil haarsträubende Mängel, berichtet der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Vor allem Elektroartikel genügten oft nicht den europäischen Sicherheitsstandards. „Immer wieder tauchen Mixer, Toaster und Föhne auf, bei denen die Gefahr eines Kurzschlusses besteht“, sagte die Referentin für Produktsicherheit beim VZBV, Sylvia Maurer, dem Tagesspiegel am Sonntag. Meist seien falsch isolierte Kabel die Ursache. Eine besonders große Gefahr lauert demnach in kleinen Billigläden. Vor allem Kabeltrommeln und Verteilersteckdosen seinen mitunter „im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich“, sagte Maurer.

Die chinesische Regierung spricht von Einzelfällen und wehrt sich gegen den Pauschalvorwurf, die Qualität chinesischer Produkte sei schlecht. Doch mehr als jedes zweite beanstandete Produkt stamme laut einer wöchentlich von der EU veröffentlichten Mängelliste aus China, betont der Verbraucherschutzverband. Vor allem Produkte, die mit Chemikalien wie erbgutverändernden und krebserregenden Azofarbstoffen belastet sind, kämen aus der Volksrepublik. „Wir gehen davon aus, dass sich die mangelhaften Umwelt- und Sozialstandards bei der Produktqualität widerspiegeln“, sagte Maurer.

Das System von Zulieferern und Subunternehmern in China und anderen billigen Produktionsländern ist für viele westliche Einkäufer undurchschaubar. Auch deshalb können sie die Verantwortung für Mängel kaum klären. Zudem fehlt nach Ansicht von Experten ein von der Regierung unabhängiger Verbraucherschutz.

Bevor die Produkte die Reise nach Europa antreten, kleben die Hersteller auf die Produkte oft selbst das europäische „CE-Siegel“, das die Sicherheit der Ware verbürgen soll. Doch eine Garantie ist das nicht. Nur selten wird überprüft, ob die Kaffeemaschine oder der Sandwichtoaster das Siegel zu Recht trägt. Erst einmal geht die Gewerbeaufsicht immer davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat.

Der VZBV fordert deshalb mehr Stichproben von importierten Waren schon an den deutschen Seehäfen, damit weniger problematische Waren in die Regale und Wohnungen gelangen. „Bislang sind die Kontrollen absolut unzureichend“, sagte Maurer. Der VZBV will eine Mindeststichprobenanzahl gesetzlich festschreiben lassen. „Die derzeitigen laxen Bestimmungen gehen zu Lasten der ehrlichen Hersteller“, sagte Maurer.

Gerade kleineren deutschen Unternehmen fällt es oft schwer, für die Qualität eingeführter Waren aus Fernost zu garantieren. „Die Chinesen haben für unser Wirtschaftssystem furchtbar wenig Verständnis“, erklärt der Hamburger Importeur Brunner, warum es seiner Ansicht nach an Qualität und Sicherheit oft fehle. „Der Fall Mattel überrascht mich nicht.“

Doch auch viele kleine Händler sind auf die günstige Ware aus China zwingend angewiesen, um im harten Wettbewerb bestehen zu können. Gleichzeitig können sie sich keine Kontrollen im Herkunftsland leisten. Brunner geht daher davon aus, dass ein Großteil kleiner Einzelhändler in Deutschland nicht nach Zertifikaten und Gütesiegeln fragt und daher mitunter belastetes Spielzeug in die Regale stellt.

Die großen Kaufhäuser und Versandhändler versuchen Negativschlagzeilen über giftige Waren und Kinderarbeit um jeden Preis zu vermeiden. „Wir müssen die Produkte in China selber prüfen und können uns da nicht auf andere verlassen“, sagte der Leiter der Qualitätssicherung der Karstadt Warenhäuser, Klaus Wilmsen, dieser Zeitung. China ist seinen Worten zufolge einer der wichtigsten Importmärkte des Konzerns. Wilmsen: „Wenn ein Lieferant die Anforderungen das zweite Mal nicht erfüllt, fliegt er raus.“ Auch das Versandhaus Otto setze auf Stichproben, sagte ein Sprecher.

Die chinesische Regierung verweist immer wieder auf die Verantwortung der internationalen Konzerne für die Produktsicherheit. Mitunter greifen Behörden und Justiz jedoch selbst zu drastischen Mitteln. Nach einem Skandal um tödliche Arzneimittel und giftige Zahnpasta sprach ein Volksgericht den Chef der Lebens- und Arzneimittelaufsicht, Zheng Xiayu, schuldig. Kurz nach der Urteilsbestätigung wurde der Mann wegen Korruption hingerichtet.

Nils-Viktor Sorge

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