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Gebaut wird allenthalben - aber viel zu wenig, um die wachsende Zahl der Haushalte mit Wohnraum zu versorgen. Deshalb steigen Mieten und Wohnungspreise.

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Prognos-Studie zur Wohnungsnot: Verbändebündnis Wohnungsbau schlägt Alarm

54 Quadratmeter Wohnfläche kann sich der Berliner Durchschnittshaushalt leisten. Zu wenig für Familien. Und die Wohnungsnot wächst weiter, bundesweit

Noten stehen am Ende des Schuljahres und werden schon mal am Ende einer Legislatur-Periode verteilt. Eine drei Minus bekommt Barbara Hendricks (SPD) für ihre Arbeit als Bundesbau- und Umweltministerin vom Verbändebündnis Wohnungsbau. Der Lobbyisten-Dachverband, der von Mietervertretern bis zum Bauträger alle am Wohnungsmarkt Tätigen vereint, lobte zwar Hendricks Verdreifachung der Sozialbauförderung. Im Ergebnis habe sich aber in Hendricks Haus das Ressort für Umweltschutz gegen das Bauen durchgesetzt – und auch deshalb verschärft sich nun die Wohnungsnot.

54 Quadratmeter je Haushalt, zu wenig für Familien

Das ist zwar nicht neu, wohl aber dass die Wohnungsnot die Mittelschicht erreicht: Bei einem Einkommen von 2170 Netto könnte ein Durchschnittsverdiener-Haushalt 760 Euro Warmmiete aufbringen, ein Drittel, wenn es sich das Wohnen nicht vom Mund absparen soll. Mit diesem Betrag kann sich ein Berliner nur 54 Quadratmeter leisten, in deutschen Städten 70 Quadratmeter – viel zu wenig für Paare mit Kindern. Diese Zahlen ermittelte das Prognos-Institut für das Verbändebündnis, die Wohnungsnot ist gleichsam „wissenschaftlich“ belegt. Und damit steht „der soziale Friede auf dem Spiel“, sagt Lukas Siebenkotten vom Mieterbund.Dass die Unternehmer beim Szenario der aus den Innenstädte vertriebenen, in Brennpunkte am Stadtrand sich ballende Menschen mit wenig Geld und aussichtsloser Erwerbsbiografie nicht die Augen verdrehen, liegt daran, dass es sogar ihnen zusetzt. „Wir müssen für alle Schichten bauen, können das aber nicht mehr“, sagt Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbandes Feier Immobilien und Wohnungsunternehmen, größter Bauherr im Lande. Auch das hat Prognos nachgerechnet: Wegen der 20000 Verordnungen, der hohen Energiestandards und dem teuren Bauland kostet in Deutschlands fünf größten Städten der Bau von Mietwohnungen 14 Euro je Quadratmeter kalt im Monat, Durchschnittsverdiener können sich aber bestenfalls zehn Euro leisten.

80000 Sozialwohnungen gehen jährlich verloren, nur 15000 entstehen neu

Und das Angebot an Wohnungen schrumpft weiter, besonders dramatisch die geförderten Objekte. 80000 Sozialwohnungen verlieren jedes Jahr ihre „Bindung“ und können dann auch als Eigentum verkauft werden. Um überhaupt das Angebot aufrecht zu erhalten, müssten also 80000 neu gebaut werden, es waren aber nur 25000 im vergangenen Jahr (2015: 14700). Eine Besorgnis erregend wachsende Lücke, zumal das Bevölkerungswachstum in Deutschland von Geflüchteten getragen ist, die überwiegend Sozialwohnungen benötigen. Insgesamt entstanden rund 278000 Wohnungen im vergangenen Jahr, deutlich mehr als 2015 (247.000), aber um Wohnraum für die wachsende Zahl der Haushalte bieten zu können, müssten es 400000 sein. In Berlin ist die Lage ähnlich. Nach den Donnerstag veröffentlichten Zahlen des Amtes für Statistik wuchs die das Wohnungsangebot um 13842 im Jahr 2015 – 20000 zusätzliche Wohnungen bräuchte es jährlich, damit die Wohnungsnot sich nicht noch weiter verschärft, sagen Politiker und Experten.

Anfang der 1990er Jahre wurden 600000 Wohnungen gebaut, pro Jahr

Kann überhaupt schnell wieder viel mehr gebaut werden? Aber sicher, meint Siebenkotten vom Mieterbund und die Vertreter der Wohnungswirtschaft nicken: „Anfang der 1990er Jahre haben wir mehr als 600000 Wohnungen jährlich gebaut.“ Damals gab es eine „Sonderafa“ als Steuerjahrhundertgeschenk für Vermögende. Binnen weniger Jahre entstanden Reihenweise Wohnparks bis ein Überangebot da war. Deshalb fordert die Branche nun auch nur eine moderate und auf die besonders unterversorgten Metropolen beschränkte Anhebung der Abschreibung von zwei auf drei Prozentpunkte im Jahr. Wichtig außerdem: „Bauland verbilligt bereit stellen“, so Hans-Hartwig Loewenstein vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Auch der Bund müsse seine Flächen häufiger für den bezahlbaren Wohnungsbau bereit stellen. Und: Ohne Förderung werde auch die energetische Modernisierung nicht vorankommen. Doch in dem Punkt arbeiteten die Ressorts im Hause Hendricks gegeneinander. Das möge sich künftig bitte ändern: Bauen und Umwelt sollten in verschiedene Ministerien getrennt werden, fordern die Verbände, dann gebe es nach der Bundestagswahl vielleicht wieder eine(n) starken Bundesbauminister(in).

Spitzenkandidaten der Parteien und ihre Vorschläge gegen die Wohnungsnot

Am Nachmittag werden die Fachleute der Parteien auf dem "Wohnungsbau-Tag" des Verbändebündnisses über ihre Rezepte zur Bekämpfung der Wohnungsnot diskutieren. Mit dabei: Bundesministerin Barbara Hendricks (SPD), Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), Martin Schulz (SPD) und andere.

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