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Eine Ausbildung schützt vor späterer Langzeitarbeitslosigkeit.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Prognosen für den Berliner Arbeitsmarkt: Für die Schwachen wird es noch härter

Die Arbeit wird in der Hauptstadt anspruchsvoller und die Konkurrenz nimmt zu. Für Ungelernte und Langzeitarbeitslose verschärfen sich die Probleme.

Während sich der Arbeitsmarkt in Berlin gut entwickelt, wird es für jene, die es schwer haben, in Zukunft noch härter. „Die Konkurrenz wächst und die Arbeit wird anspruchsvoller“, sagte Bernd Becking, Chef der regionalen Arbeitsagentur, am Donnerstag.

Mit der Konkurrenz meinte er die 161 000 Einpendler und die gut ausgebildeten Zuzügler aus anderen deutschen Städten sowie EU-Ländern. Dazu komme, dass im Zuge der Digitalisierung vor allem Helferjobs wegfallen und der Arbeitsmarkt „immer akademischer“ wird. Für die Mehrheit der Stellen, die im vergangenen Jahr neu geschaffen wurden, brauchten die Bewerber einen Hochschulabschluss.

Deswegen sei es umso wichtiger, dass mehr Mädchen und Jungen einen Schulabschluss machen und sich entweder ausbilden lassen oder studieren. „Das Risiko nimmt zu, abgehängt zu werden und zu bleiben“, warnte Becking. Zurzeit ist es so, dass 11,7 Prozent der Unter-20-Jährigen arbeitslos sind. Auch wenn diese Quote leicht sinkt, ist sie viel höher als der Bundesdurchschnitt (3,6 Prozent). Berlin sei außerdem das einzige Bundesland, in dem die Arbeitslosenquote U20 höher ist als die Quote über alle Altersgruppen hinweg.

Stadt der Schwänzer und Schulabbrecher

Immer wieder schocken Berichte über die Jahre zuvor – in den Schulen: In keinem anderen Bundesland bekommen Jugendliche so wenig Unterricht wie in Berlin. Im vergangenen Schulhalbjahr haben mehr als 2000 Schüler über vier Wochen oder sogar über acht Wochen lang unentschuldigt gefehlt. Weitere 2300 schwänzten den Unterricht zwei bis vier Wochen. Bei Vergleichstests schneiden Schüler in Berlin immer wieder schlechter ab als in anderen Bundesländern – weswegen Jugendliche aus Brandenburg bei Berliner Betrieben äußerst beliebt sind. Rund 3000 brechen jedes Jahr die Schule ab. „Das alles zu ändern, muss ein Schwerpunkt sein“, sagte Becking.

Er kritisierte die unzureichende Berufs- und Studienorientierung an den Schulen, nahm aber gleichzeitig die Lehrer in Schutz. „Die Herausforderungen sind hier viel, viel schwieriger als anderswo“, sagte er. Der Großteil der Jugendlichen komme aus Hartz-IV-Familien, von denen es in Berlin mit die meisten gibt. Studien haben gezeigt, dass Kindern, die in Haushalten mit Arbeitslosen aufwachsen, die Karrierevorbilder fehlen, und deshalb das Risiko hoch ist, dass sie später selbst auf die Unterstützung des Staates angewiesen sein werden. Selbst im internationalen Vergleich hat der familiäre Hintergrund hierzulande einen starken Einfluss auf die Chancen von Jugendlichen.

Später zeigt sich der Zusammenhang darin, dass die Mehrheit der Hartz-IV-Bezieher keine Ausbildung gemacht hat. Deswegen müssten die Betriebe mehr Hauptschüler einstellen und unterstützen.

Mehr Hilfe für funktionale Analphabeten

Weil ein Teil der Langzeitarbeitslosen funktionale Analphabeten sind, sollen alle Berliner Jobcenter für diese Gruppe künftig besser geschult werden. Das Spandauer Jobcenter gilt dabei mit seinem Alpha-Siegel des Grund-Bildungs-Zentrums als Vorreiter. Das Angebot reicht dort von Informationen einfacher Art auf der Website und vor Ort bis hin zu einem Farbwegeleitsystem im Gebäude. Eine Reihe von Mitarbeitern wurde zu sogenannten AlphaLotsen ausgebildet. Selbst bei Klienten, die nach einer Ausbildung und langer Berufstätigkeit arbeitslos geworden sind, stellt sich plötzlich heraus, dass sie kaum lesen und schreiben können. Für sie stellen das Ausfüllen der Formulare und das Schreiben von Bewerbungen unüberwindliche Hindernisse dar. Ein Dilemma, denn „wir Deutsche sind ja Formalfetischisten“, sagte Becking.

Für dieses Jahr prognostizierte er eine Arbeitslosenquote mit „stabil einer acht vor dem Komma“.

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