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Körper und Seele. Am häufigsten sind es Rückenschmerzen, die Arbeitnehmer plagen. Doch Depressionen nehmen zu. Foto: p.-a./dpa

© dpa

Krankschreibungen: Doppelt so viele psychisch krank wie 1994

Die AOK legt eine traurige Statistik vor: Die Zahl der Krankmeldungen ist seit 2006 gestiegen, Berlin ist beim Krankenstand auf Platz zwei. Für wachsende Fehlzeiten sorgen vor allem psychische Probleme.

Die Fehlzeiten in deutschen Betrieben sind im vergangenen Jahr weiter gestiegen – von 17,3 auf 17,6 Tage. Dies ist das Ergebnis des aktuellen Krankenstands-Reports, den das Wissenschaftliche Institut der AOK (WidO) am Dienstag veröffentlicht hat. Und dieser Trend, so heißt es in der Studie, habe sich auch im ersten Halbjahr 2011 fortgesetzt.

Deutlich zugenommen haben insbesondere die Ausfallzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen. Sie stiegen 2010 von 8,6 auf 9,3 Prozent aller Fälle und verursachten mit durchschnittlich 23,4 Tagen pro Fall die mit Abstand längsten Fehlzeiten. Patienten mit Atemwegserkrankungen fehlen statistisch nur 6,4 Tage. Im Schnitt war jeder Krankgeschriebene pro Fall 11,6 Tage zu Hause. Nach der AOK-Statistik hat sich die Zahl der Krankschreibungen aus psychischen Gründen seit 1994 mehr als verdoppelt. Mit Ausnahme des Jahres 2005 ist sie seit 14 Jahren kontinuierlich am Steigen.

Der Krankenstand dagegen liegt mit 4,8 Prozent immer noch vergleichsweise niedrig. Im Jahr 1995 etwa betrug er sechs Prozent, im Jahr 2000 waren es 5,4 Prozent. 2006 betrug die Quote 4,2 Prozent, seither geht es mit den Krankschreibungen wieder nach oben. Die Daten basieren auf den Fehlzeiten von mehr als zehn Millionen Erwerbstätigen, die bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen versichert sind. Allerdings registrierten auch andere große Krankenversicherer wie die Barmer GEK und die DAK eine vergleichbare Entwicklung.

Die meisten Krankheitstage wurden im vergangenen Jahr durch Muskel- und Skeletterkrankungen verursacht (24,2 Prozent). Die Hauptdiagnose lautete Rückenschmerzen, ein Anstieg um 1,2 Prozent. Auch beim Krankheitsverursacher Nummer zwei – akute Verletzungen – gab es eine Steigerung von 12,3 auf 12,9 Prozent. Bei den Atemwegserkrankungen dagegen war ein Rückgang von 14 auf 12 Prozent zu verzeichnen.

Die meisten Ausfalltage fielen auf körperlich fordernde Berufe. An der Spitze stehen Straßenreiniger und Müllmänner mit 30 Fehltagen, Waldarbeiter kamen im Schnitt auf 25,8 und Krankenpflegehelfer auf 25,5. Bei Hochschullehrern lag die Fehlzeit gerade mal bei 4,8 Tagen im Jahr, Ärzte blieben durchschnittlich an 7,1 Tage zu Hause. Branchenbezogen brachten es Banken und Versicherungen mit 3,3 Prozent auf den niedrigsten Krankenstand, der höchste war in der Branche „Energie, Wasser, Entsorgung und Bergbau“ zu finden (5,9 Prozent). Auffällig ist indessen, dass der Krankenstand in der öffentlichen Verwaltung und Sozialversicherung mit 5,5 Prozent deutlich höher lag als im körperlich fordernden Baugewerbe (5,1 Prozent).

In Ostdeutschland ist der Krankenstand um 0,3 Prozentpunkte etwas höher als im Westen, er liegt dort bei 4,9 Prozent und 17,8 Tagen. Regional besehen allerdings steht Hamburg an der Spitze – mit einem Krankenstand von 5,7 Prozent. Es folgen Berlin und das Saarland mit 5,6 Prozent, am seltensten fehlen Arbeitnehmer in Bayern. Dort lag der Krankenstand im vergangenen Jahr bei 4,2 Prozent. Sachsen und Baden-Württemberg kamen auf 4,6 Prozent.

Nach AOK-Angaben hängt der Krankenstand wesentlich mit der Atmosphäre am Arbeitsplatz und dem Verhalten der Führungskräfte zusammen. Wer Anerkennung erfahre, habe weniger gesundheitliche Beschwerden, sagt Wido-Geschäftsführer Helmut Schröder. Doch viele Chefs verhielten sich nicht entsprechend. Einer Mitarbeiterbefragung zufolge werden mehr als 54,5 Prozent der Beschäftigten selten oder nie von ihrem Vorgesetzten gelobt. Und 41,5 Prozent fühlen sich bei wichtigen Entscheidungen übergangen. Allerdings nehmen sich auch die Führungskräfte kaum noch Zeit zum Kranksein. Im Jahr 2010 waren sie an gerade mal 4,8 Tagen krankgemeldet – und schleppten sich an 8,3 Tagen ins Büro, obwohl sie ins Bett gehörten.

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