zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Quatschen, lernen, schlafen

Sechs Tage „Campus Party Europa“ auf dem Flughafen Tempelhof: Warum es sich lohnt, beim Branchentreff für IT-Freaks dabei zu sein – und für die Restkarten anzustehen.

Vor 15 Jahren riefen vier junge Leute im spanischen Malaga eine Messe für Kommunikationstechnologien ins Leben. 250 Besucher kamen damals. Heute findet die „Campus Party Europa“ mehrmals im Jahr in acht verschiedenen Ländern statt und bringt jedes Mal 10 000 Menschen zusammen, die sich mit Social Media, Biotechnologie, Robotik oder digitalem Design befassen, mit Themen also, die unser künftiges Zusammenleben – und auch unsere Arbeitswelt maßgeblich bestimmen werden.

Nun öffnet die Messe in Berlin ihre Tore. Vom 21. bis zum 26. August macht sie den Flughafen Tempelhof zum Treffpunkt für Programmierer, Gamer, Blogger, Webdesigner und Vertreter von Internet-Start-Ups, für Beschäftigte von Kommunikationsunternehmen, Informatiker und Studenten technischer Fachrichtungen. An sechs Tagen sind insgesamt 600 Stunden Programm angesagt. 24 Stunden täglich finden Diskussionen, Präsentationen und Vorträge statt. Wer eine Pause von den vielfältigen Eindrücken braucht, kann sich mit Schlafsack in einen der Schlafsäle zurückziehen. Auch duschen kann man dort.

Als Redner konnten die Veranstalter einige Prominente gewinnen. Tim Berners-Lee, bekannt als einer der Väter des World Wide Web, hält einen Vortrag. Jon Hall, der heutige Linux-Chef, ist unter den Rednern. Und der Mozilla-Geschäftsführer Mark Surman referiert über die Bedeutung freier Software für die Bildung sozialer Bewegungen und für das Netzwerken im Sinne eines demokratischen Austausches. Auch der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho ist dabei. Er wird über soziale Medien reden. Laut dem Business-Magazin Forbes hat er mehr als vier Millionen Followers bei Twitter und acht Millionen Fans bei Facebook.

„Die Campus-Party ist eine Ideen- und Erfindermesse“, sagt ihr Sprecher Klaus Purkart. Auch in Berlin werden mehr als 10 000 Besucher dort sein, um zu netzwerken, sich über Technik, Wissenschaft, digitale Unterhaltung und Innovationen auszutauschen. Man spielt zusammen, entwickelt zusammen, zeigt sich gegenseitig das Neueste im Netz. Die Nachfrage nach einem solchen Treffen ist groß. Die Wochentickets sind bereits verkauft, nur noch Karten für einzelne Veranstaltungen sind jetzt noch zu haben.

Anstatt Ständen, an denen sich Unternehmen präsentieren, werden die Besucher Sitzgelegenheiten mit Internetanschlüssen, Tische, Stühle und Sofas finden. Das heißt nicht, dass sie in Tempelhof nichts für ihre Karriere tun könnten.

Die Campus Party sei hilfreich, um die ganze Breite der Möglichkeiten in den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) kennen zu lernen, sagt der Sprecher der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg, Olaf Möller. Außerdem werde gerade in der IKT-Branche das Personal häufig branchenintern rekrutiert und freie Stellen über „Vitamin B“ vergeben: Jemand kennt jemand anderen, der den Job machen könnte. Die Arbeitsagentur vermittele in diesen Berufen so gut wie nie Mitarbeiter.

DIE BRANCHE WÄCHST RASANT

Dabei weise die IKT-Branche gerade in Berlin eine sehr hohe Dynamik auf, sagt Möller. Die Großen der Branche, IBM, Microsoft und Google sowie eine Reihe schnell gewachsener Start-Ups wie die Init AG für Digitale Kommunikation und Media Metrics brauchen Mitarbeiter. Und nicht nur die IT-Firmen suchen Personal. So gut wie jedes Unternehmen beschäftigt IT-Experten. IKT-Berufe gelten heute als die krisensichersten Jobs. 63 000 Menschen sind in diesem Bereich in Berlin tätig. Vom Jahr 2010 auf das Jahr 2011 stieg die Zahl der IKT-Beschäftigten um 7,9 Prozent. Zum Vergleich: Bundesweit wuchs die Zahl in diesem Zeitraum nur um zwei Prozent.

EIN STUDIUM IST OFT DER EINSTIEG

Doch wie steigt man in die Branche ein? Kristin Seyfahrt, Sprecherin des Verbandes der Software-, Informations- und Kommunikationsindustrie in Berlin und Brandenburg (SIBB) schätzt, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter den Weg über ein Studium geht. In Berlin und Potsdam werden inzwischen eine Vielzahl unterschiedlicher IT- Studiengänge angeboten (siehe Kasten).

Zum Fachinformatiker, Elektrotechniker oder Softwareingenieur kann man sich auch betrieblich ausbilden lassen. Die Theorie wird dann am Berliner Oberstufenzentrum für Informationstechnik und Medizintechnik vermittelt. Dort kann man auch das Fachabitur für elektrotechnische Berufe erwerben.

Eine Ausbildung in der wachsenden Branche schafft nicht nur gute Berufschancen, sie kann sich auch finanziell lohnen. Katrin Safarik von der Industrie- und Handelskammer Berlin geht von einem bundesweiten Durchschnittsverdienst in der IT-Wirtschaft von 4800 Euro brutto im Monat aus.

GRÜNDER SIND WILLKOMMEN

„Bei dem Festival geht es auch um Entrepreneurship“, sagt die Mitorganisatorin Fátima Ruiz-Clavijo. „Wer gründen will oder gegründet hat, lernt hier etwas über Marketing, Projektfinanzierung, die Marktsituation oder die technischen Standards in den jeweiligen Feldern.“ Mit guten Ideen kann man sich auch um ein Arbeitsstipendium bewerben. Die fünf besten Projekte werden ausgezeichnet.

Die SIBB–Sprecherin Seyfarth hält die Messe vor allem für wichtig, um über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden zu sein: „Ich denke, es ist gerade in unserer Branche essenziell, mitzugehen und offen zu sein für alle Neuerungen.“

www.campus-party.eu/2012/index.html

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false