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Quelle-Pleite: Der Tag nach der Katastrophe

Die Region Franken im Ausnahmezustand

München - „Ein Orkan ist über uns hinweggegangen“. Mit diesen Worten hat der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) am Mittwoch die Lage in der nordbayerischen Region um Fürth und Nürnberg beschrieben. Es war Tag eins nach dem Zusammenbruch von Quelle. Mit der Abwicklung der Zentrale in Fürth stehen wieder tausende Menschen vor der Arbeitslosigkeit – wie schon nach dem verlorenen Kampf um die AEG-Hausgerätefabrik 2007 als 1800 Stellen wegfielen. Auch der Elektrokonzern Grundig, der Mitte der 90er Jahre vielen Menschen der Region Arbeit gab, ist nicht mehr. Jetzt auch noch Quelle.

Jungs Nürnberger Kollege, Oberbürgermeister Ulrich Maly (ebenfalls SPD), gab am Mittwoch die Parole aus: „Aus dem Schock darf keine Schockstarre werden“. Jetzt beginnen konkrete Maßnahmen, um die Quelle-Mitarbeiter aufzufangen. Maly kündigte an, dass das städtische Klinikum eigens eine psychologische Krisenambulanz einrichten wird. „Ehepaare arbeiten gemeinsam bei Quelle, oft auch die erwachsenen Kinder“, betonte Maly und schilderte die Dramatik der Lage bei in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten Familien.

Auch die Agentur für Arbeit reagiert. Rainer Bomba, der Chef der bayerischen Arbeitsagenturen, sagte, er rechne Anfang November mit dem Ansturm von 4000 Betroffenen. Weitere dürften später dazukommen. Um den Menschen zu ersparen, sich in lange Schlangen beim Amt einreihen zu müssen, wolle die Agentur eine eigene Außenstelle mit bis zu 100 Mitarbeitern und eigens dazu abgestellten Experten vor Ort in Fürth einrichten.

Bomba versuchte, den bald Arbeitslosen Mut zu machen, sieht aber auch die Realitäten. Denn der Fall Quelle sei in seiner Dimension größer als Grundig oder AEG. Einen Teil der demnächst Jobsuchenden könne man wohl rasch vermitteln, weil es in der Region etwa 10 000 offene Stellen gibt, sagte Bomba. Vielen anderen drohe aber die Arbeitslosigkeit, denn ein zweites Versandhaus, das derartige Massen Arbeitsuchender aufnehmen könne, gebe es nicht. „Bei einigen wird der Weg sehr lang werden“, fürchtet Bayerns Chefarbeitsvermittler.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi forderte deshalb öffentlich finanzierte Auffanggesellschaften für die bundesweit gut 10 000 Betroffenen, was ein Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel vage als eine Möglichkeit bezeichnete. Vor dem endgültigen Aus für das Fürther Traditionsunternehmen war dort bereits eine Entlassungswelle für 3900 früher Beschäftigte angelaufen. Für sie waren derartige Transfergesellschaften vereinbart worden. Die sind aber mit dem Beschluss zur Abwicklung von Quelle hinfällig, betonte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Denn finanziert worden wären sie vor allem mit Quelle-Mitteln – die jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen.

Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) kündigte indessen ein Strukturprogramm für die fränkische Krisenregion an, der gegenüber 2008 ein Anstieg der Arbeitslosenquote um die Hälfte auf zwölf Prozent droht. Ob und wann das greift, ist offen. Thomas Magenheim

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